Sie fing als normale Tätowiererin an. Heute darf sie sich Manu Tuhuka Patutiki nennen. Sie wurde von zwei polynesischen Familien adoptiert und kann, als eine von wenigen Nicht-Ureinwohner*innen, deren Tattoo-Kunst offiziell tätowieren.
Im Jahr 1992 begann sie mit dem Tätowieren. Vor einigen Jahren wollte sie damit aufhören. Mittlerweile ist sie Weltmeisterin. Ihr Tattoo-Studio befindet sich in Vilseck, im Landkreis Amberg-Sulzbach. Die Kunden von Manu Kelley, alias Manu Tuhuka Patutiki, kommen aus ganz Deutschland, manchmal auch aus dem Ausland. Der Grund: Ihre Kunst, Polynesische Tattoos. Aus dieser Kultur setzt sich auch ihr Name zusammen: „Tuhuka” bedeutet die „Meisterin”, „Patutiki” steht für den Tattoo-Stil der marquesischen Inseln.
Vor rund sechs Jahren wollte sie eigentlich ihrer Tattoo-Karriere ein Ende setzen. Dann stieß sie auf eine ganz besondere Art der Tattoos. „Mir ist ein Tattoo begegnet, dass mich total ergriffen hat”, erzählt sie und fügt an: „Ich wollte alles darüber wissen.” Es war ein polynesisches Tattoo. Zu Polynesien gehören Hawaii, Samoa, Tahiti, die Marquesas-Inseln, Neuseeland, die Osterinsel und viele weitere kleinere Inseln. Die Tattoo-Kunst dieser Inselbewohner erzählt die Geschichte des Trägers. Jedes Tattoo ist einzigartig und wird frei Hand gezeichnet. Dabei hat jedes Symbol seine eigene Bedeutung. „Sie können Dinge weghalten oder herholen”, erklärt die Tätowiererin. Die Zeichen sind für die Ureinwohner*innen der polynesischen Inseln heilig und wurden über Tausende von Jahren getestet. Jagenden hat man beispielsweise Schutzsymbole auf den Rücken tätowiert. Wäre dann ein Speer im Rücken gelandet, hätten sie das Symbol nicht weitergereicht.
Gefesselt von der polynesischen Tattoo-Kunst, recherchierte sie immer weiter, lernte die Bedeutungen der Symbole kennen und lud ihre Werke im Internet hoch. Eines Tages bekam sie einen Anruf aus Neuseeland von einem samoanischen Matai, also einem Familienoberhaupt. Dieser entdeckte ihre Werke im Internet. „Er wollte wissen, wer mein Meister ist, weil er noch nie so schöne samoanische Tattoos gesehen hat.” Manu antwortete ihm, dass sie keinen Meister hätte. Diese erklärte ihr daraufhin, dass es in seiner Familie Tradition sei, dass wenigstens eine Person im Stammbaum ein Tattoo-Artist sein sollte. Da in seiner Familie alle Tätowierer verstorben waren, fragte er, ob er Manu als seine Schwester adoptieren könne. Durch die Adoption bekam sie einen samoanischen Namen.
Wenig später kam der nächste Anruf. Die Familie eines verstorbenen Tätowierers von den Marquesas-Inseln meldete sich bei ihr. Sie fragten, ob sie seine Tattoos hier in Deutschland für ihn fertig machen könne. Denn: In der Kultur ist es unehrenhaft, wenn ein angefangenes marquesisches Tattoo nicht fertiggestellt wird. Das war für sie am Anfang schwierig. „Als die Leute mit den angefangenen Tattoos vor mir standen, hat mich das sehr berührt. Das war echt schwer, das fertig zu machen.” Auch von dieser Familie wurde sie adoptiert. In Deutschland ist sie übrigens nur eine von zwei Personen, welche diese Art von Tattoos offiziell, durch die Segnung eines Matais, stechen darf.
Diese Adoptionen verhalfen ihr innerhalb der Szene zu mehr Akzeptanz. Trotzdem hat sie weiterhin einen schweren Stand. Zum einen sind Frauen in der Szene unüblich, zum anderen ist sie eine blonde Europäerin. Das wird von vielen Leuten innerhalb der Kultur nicht gerne gesehen. „Ich werde trotz allem immer noch angefeindet”, erklärt sie. Doch davon lässt sie sich nicht unterkriegen. Trotz dieser Anfeindungen schaffte sie es, in der Szene Fuß zu fassen.
Eines ihrer Highlights hatte sie in Paris, auf der größten polynesischen Tattoo-Messe. Dort holte sie unerwartet den zweiten Platz. „Ich wollte eigentlich hinausgehen und frische Luft schnappen”, erinnert sie sich und erzählt weiter: „Ich habe gar nicht damit gerechnet, dass mich die Einheimischen überhaupt nominieren.” Das war für die Tätowiererin eine große Ehre. Ebenfalls gewann sie schon mehrfach den ersten Platz bei den „Tatau Awards”. Diese sind die Weltmeisterschaften für polynesische Tattoos. Seit 2020 nimmt sie nicht mehr am Wettbewerb teil, da sie zum Jury-Mitglied befördert wurde.
Immer mehr Leute erkennen mittlerweile, dass sie auch einen Mehrwert für die polynesische Tattoo-Kunst bietet: „Ich respektiere die Kultur und helfe dazu, dass sie nicht verfälscht wird. Viele Tätowierer wissen leider nicht, was die Symbole bedeuten und kopieren diese einfach aus dem Internet.” Das Problem hierbei: Die Symbole der verschiedenen Inseln können vermischt werden oder ein Mann kann beispielsweise das Schutzsymbol für schwangere Frauen tätowiert bekommen. Um dagegen anzukämpfen, hat sie nun den Auftrag bekommen, ein Buch zu schreiben, in welchem die Symbole ganz genau erklärt werden. Ein Bild von ihrer Arbeit könnt ihr euch auf www.manutattoo.de machen.