Annatala Natalia Geiger hat eine Gabe, die für sie Fluch und Segen ist. Die 76-Jährige ist Hellseherin und Auren-Seherin. In den vergangenen Jahrzehnten hat sie sich damit europaweit einen Namen gemacht. Ihre Intention: Menschen helfen.
Im Interview erzählt die Ambergerin von ihren Visionen, wie sie mit Skeptikern umgeht und wie ihr ihre tote Mutter das Leben gerettet hat.
Du bist Hellseherin und hast Vorahnungen. Fluch oder Segen?
Die Gabe ist sowohl Fluch als auch Segen. Aber ich kenne es nicht anders. Meine erste Vision hatte ich mit fünf oder sechs Jahren. 1953 erkrankte ich an Tuberkulose. Ich verbrachte ein Jahr in einem Lungen-Sanatorium in Passau. Mein Zustand hat sich immer mehr verschlechtert. So schlimm, dass mich die Schwestern in ein Todeskämmerchen im Keller gebracht haben. Ich dachte, ich ersticke, hatte Todesangst. Ich lag also in diesem Raum, neben mir saß eine Frau, die auf mich aufpassen sollte. Plötzlich sah ich einen schwarz gekleideten Mann in der Tür stehen. Er rauchte. Ich sagte zu der Schwester, er solle weggehen. Ich bekomme keine Luft. Aber die Frau hat den Mann nicht gesehen. Das war meine erste Vision. Ich bin überzeugt, dass es der Tod war, der mich holen wollte. Seit diesem Moment begleitet mich diese Gabe.
Wie muss man sich Hellsichtigkeit vorstellen?
Sitze ich einem Menschen gegenüber, sehe ich zuerst seine Aura. Sie ist eine Art farbiger Nebel, eine Energie, die die Person umgibt. Nur wenige Personen können sie an anderen wahrnehmen. Anhand ihrer Farben erkenne ich, wie es meinem Gegenüber geht. Ist sie beispielsweise dunkel oder löchrig, stimmt etwas nicht. Grau deutet auf Depression und Mutlosigkeit hin. Die Farbe zeigt, dass der Mensch voller Blockaden ist. Gelb steht für Kraft und Freude, Rosa für die Liebe. Fehlt Rosa ist das ein Zeichen für Liebeskummer. Auch Krankheiten und belastende Probleme kann ich von der Aura ablesen. Interessant ist, dass sich die Aura von Sekunde zu Sekunde ändern kann. Eines meiner Ziele ist es, die Aura meiner Kunden bei den Sitzungen wieder aufzubauen, sie zu schließen, wodurch es den Menschen besser geht. Dabei berühre ich ihre Hände und spüre ihre Energien. Gleichzeitig sehe ich Bilder, empfinde Emotionen und weiß, was in ihrem Leben passiert ist. Was aktuell passiert – und was in ihrer Zukunft passieren wird. Außerdem lege ich Karten und auf Wunsch pendle ich auch, meistens, wenn es um die Frage des Kinderwunsches geht. Es passiert auch immer wieder, dass ich Menschen auf der Straße oder im Supermarkt begegne und plötzliche Eingebungen habe. Kurze Szenen, die mich in ihr Leben blicken lassen.
Seit wann arbeitest du mit deiner Gabe?
Ich habe meine Fähigkeit lange für mich behalten, bis ich mit 27 Jahren wieder im Sterben lag. Während der Geburt meines zweiten Sohnes kam es zu Komplikationen. Ich war klinisch tot. Ich hörte die Ärzte sagen, dass ich nicht mehr atme und merkte, dass ich meinen Körper verlassen hatte. Ich empfand pures Glück und gleichzeitig Schmerz, weil ich meine Kinder zurücklassen würde. Dann hörte ich eine tiefe Männerstimme, die mir sagte, ich müsse zurück. Ich hätte noch große Aufgaben. Plötzlich war ich wieder in meinem Körper. Ich bin überzeugt, dass es die Stimme Gottes war. Das Erlebnis hat mich dazu bewegt, Menschen zu helfen, denn das ist meine Bestimmung. Inzwischen mache ich das seit 48 Jahren.
Woher hast du diese Gabe?
Ich habe sie geerbt. Schon meine Mutter und meine Großmutter waren hellsichtig. Gleichzeitig glaube ich, dass diese Gabe etwas Göttliches ist, denn ich kann auch mit Engeln kommunizieren. Deshalb bete ich viel und bitte um Energie, um meine Aufgabe zu erfüllen.
Womit arbeitest du?
Ich arbeite mit der Aura meiner Kunden, lese aus ihren Händen, lege ihnen Karten und pendle. Die Karten sind ein Erbstück meiner Mutter. Ich werde immer wieder gefragt, wie ich darauf überhaupt noch etwas erkennen kann, weil sie schon so alt sind. (lacht) Aber ich arbeite immer mit ihnen, denn durch sie habe ich das Gefühl, dass meine Mutter bei mir ist und mich begleitet.
Bist du auch ein Medium?
Manchmal bringen Menschen ihre Verstorbenen mit, die ich wahrnehmen kann. Aber ich rufe nie Tote, um mit ihnen zu kommunizieren. Das ist viel zu gefährlich, denn man weiß nie, ob nicht vielleicht auch eine böse Energie mitkommt. Außerdem habe ich Angst, dass sich die Toten an mir anhaften. Ich habe immer wieder Kunden, denen das passiert – wie ein junger Mann, der auf einem Kriegsfriedhof vor dem Grab eines jungen Soldaten stand. Er empfand Mitleid für den Gefallenen. Plötzlich hatte er das Gefühl, dass der Tote in ihm ist. Er hatte wenig Energie und hat sich beklemmt gefühlt. Ich habe ihm geraten zu beten und den Toten ins Licht zu schicken.
Was ist das Hauptanliegen deiner Kunden?
Meine Kunden kommen aus ganz Europa. Unter ihnen sind Schauspieler, Musiker, Ärzte und auch Politiker. Sie wollen wissen, was die Zukunft für sie bereithält oder was sie tun sollen, wenn sie vor wichtigen Entscheidungen stehen. Am häufigsten geht es um die Liebe, denn sie spielt für jeden eine große Rolle. Und um allgemeine Lebensfragen. In den 1990er Jahren kamen viele Menschen zu mir und wollten wissen, ob sie ihr Haus verkaufen sollen. Zu dieser Zeit sollte die WAA in Wackersdorf gebaut werden. Die Verträge waren unterschrieben, alles stand fest. Ich habe gespürt, dass es aber nicht zu dem Bau kommen wird und habe ihnen davon abgeraten. Viele haben auf mich gehört und ihr Haus behalten – und es nicht bereut. Natürlich interessiert meine Kunden auch ihre finanzielle Zukunft.
Gibt es Themen, über die du nicht sprichst?
Ich rede niemals über den Tod, auch nicht, wenn mich Kunden direkt danach fragen. Natürlich sehe ich in ihre Zukunft und auch den Tod, aber würde ich das aussprechen, würden sie ihren Lebensmut verlieren. Alles würde sich auf dieses eine Datum konzentrieren, das wäre schrecklich und sehr belastend. Ich will die Menschen mit meiner Gabe aufbauen, ihnen den Mut geben, weiter zumachen. Ihnen helfen. Deshalb sage ich ihnen nur, was sie verkraften können. Wenn ich aber sehe, dass jemand krank ist, sage ich ihm das immer. Oft wissen es die Betroffenen überhaupt nicht, bis ich es ihnen sage. Gehen sie dann zum Arzt, wird das diagnostiziert, was ich gesehen habe. Vor ein paar Jahren war ein Mann bei mir. Er hatte eine mysteriöse Erkrankung und kein Arzt konnte ihm helfen. Ich habe gemerkt, dass es eine tropische Krankheit ist. Gleichzeitig hatte ich eine Vision von einem Arzt in Hamburg, der ihm helfen kann. Ich konnte den Mediziner genau beschreiben und habe meinem Kunden gesagt, dass er nach ihm suchen müsse. Er hat ihn gefunden – und wurde geheilt. Einige Zeit später rief mich der Arzt an und wollte wissen, woher ich das alles wusste, denn ich hatte meinen Kunden auch das Virus aufgezeichnet, das ich gesehen hatte. Er hatte dem Arzt die Zeichnung gezeigt und sie hat gestimmt. Der Mediziner konnte es nicht glauben.
Was waren deine beeindruckensten Vorhersagen?
Da gibt es viele. (lacht) Lange Zeit ist zu mir ein deutscher Botschafter gekommen, der eng mit dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl befreundet war. Kohl hat ihm immer eine Liste mit Fragen mitgegeben, die mir der Botschafter stellen sollte. Ich habe vorhergesehen, dass die Mauer fallen wird – und das ist letztendlich auch passiert. Auch Corona habe ich vorhergesehen. Manchmal retten meine Vorhersagen Leben. Die Situation spielte sich vor über 30 Jahren ab. Ich habe erfahren, dass ein junges Mädchen – damals 16 Jahre alt – verschwunden ist. Die Mutter hat einen Abschiedsbrief gefunden. Es war Winter, kalt. Alle Suchmaßnahmen der Polizei liefen ins Leere. Ich habe gespürt, dass das Mädchen noch lebt – und wo sie ist. Also habe ich den Beamten gesagt, wo sie suchen sollen. Sie haben die junge Frau dort gefunden. Halbtot. Aber sie hat sich erholt und heute ist sie selbst Mutter und glücklich. Ich habe immer noch Kontakt zu ihr. Ein anderes Beispiel: Ein Mann kam zu mir und hat mir von seiner gebuchten Thailand-Reise erzählt. Ich habe gespürt, dass etwas schreckliches passieren wird und ihm gesagt, dass er unbedingt stornieren müsse. Natürlich war er alles andere als begeistert, aber er hat es gemacht. Es stellte sich heraus, dass er genau zu dem Zeitpunkt in Thailand gewesen wäre, als der verheerende Tsunami 2004 so viele Menschenleben gekostet hat.
Wie gehst du mit Skeptik um?
Wenn ich merke, dass jemand skeptisch ist, reizt es mich besonders, ihn von meiner Gabe zu überzeugen. (lacht) Ein Beispiel: Ich war im Zug, gegenüber von mir ist eine Frau gesessen. Ich habe viele Anrufe bekommen von Menschen, die einen Termin mit mir vereinbaren wollten. Irgendwann hat mich die Frau gefragt, was ich arbeite, weil ich so beschäftigt gewirkt habe. Als ich es ihr erzählt habe, hat sie sehr deutlich gemacht, dass sie nicht daran glaubt. Ein großer Anreiz für mich. Also habe ich ihr ihre komplette Vergangenheit und Gegenwart gesagt. Es hat alles gestimmt. Sie wurde ganz blass – und hat danach nicht mehr gezweifelt.
Bist du schon in gefährliche Situationen gekommen?
Ich habe keine Angst – vor niemandem. Allerdings gab es Situationen, in denen ich Menschen aus meiner Wohnung werfen musste. Ich gehe auch nie zu Kunden nach Hause. Das habe ich früher gemacht, aber das ist viel zu gefährlich. Außerdem spreche ich keine Menschen auf der Straße an, wenn ich etwas sehe oder eine Vision habe. Ich will damit niemanden belästigen, der das vielleicht nicht möchte. Auch daraus könnten gefährliche Situationen entstehen, weil man nie weiß, wie die Leute reagieren. Belastend ist für mich auch, wenn ich in die Zukunft meiner Kunden blicke und sie warne, sie das aber nicht ernst nehmen. Ein Beispiel: Eine Frau war bei mir, die vor einer OP stand. Ich habe ihr gesagt, dass sie die Operation nicht machen lassen soll, weil sie nicht gut für sie ausgeht. Das hat sie nicht gemacht. Einige Tage nach dem Eingriff ist sie gestorben. Ich habe lange mit mir gekämpft und überlegt, ob ich noch eindringlicher hätte sein sollen. Aber ich kann nur Ratschläge geben und jeder muss für sich selbst entscheiden, wie er damit umgeht.
Kannst du in deine eigene Zukunft blicken?
Das kann ich, aber ich merke, dass ich mich dabei oft selbst belüge. Ich will nur Schönes sehen und schiebe alles Negative beiseite. Ich weiß vieles, was mich noch erwarten wird. Aber ich will in einigen Punkten nicht so leben, wie es mir vorbestimmt ist. Deshalb versuche ich, dagegen anzukämpfen.
Haben dich deine Visionen schon vor einem Unglück bewahrt?
Das haben sie, mehrmals. Meine tote Mutter hat meiner Familie und mir das Leben gerettet. Vor Jahren war ich mit meinem damaligen Mann und meinen zwei Söhnen auf der Heimreise von Italien. Mein Mann war ein schneller Fahrer. Plötzlich fuhr er nur noch 80 auf der Autobahn. Ich wollte nichts sagen, habe mich aber gewundert. Dann habe ich in den Rückspiegel geschaut und meine tote Mutter zwischen meinen Söhnen auf der Rückbank sitzen sehen. Ich war so erschrocken, konnte aber nichts sagen. Kurze Zeit später ist sie wieder verschwunden. Nach einer halben Stunde etwa lotste uns ein Mann von der Autobahn. Vor uns lagen Trümmer auf der Straße. Ein schwerer Unfall. Wäre mein Mann schneller gefahren, hätte es uns auch erwischt. Irgendwann habe ich ihn gefragt, warum er so langsam gefahren ist. Er sagte, der Gegenwind sei zu stark gewesen. Aber da war kein Gegenwind. Ich bin überzeugt, dass uns meine Mutter gerettet hat. Sie ist mir öfter erschienen. Einige Jahre später hat sie mich gewarnt, dass es meiner Schwester schlecht gehen würde. Ich habe sie angerufen und ihr gesagt, sie müsse unbedingt ins Krankenhaus. Zum Glück hat sie das gemacht. Sie hatte Blutungen und wäre sie nicht zum Arzt gegangen, wäre sie gestorben.
Kann jeder Hellsichtigkeit lernen?
Nein, man muss die Gabe haben. Vielleicht kann man Pendeln oder das Kartenlegen lernen, aber die Hellsichtigkeit ist angeboren. Und auch das Auralesen – entweder man hat die Gabe oder nicht. Allerdings denke ich, dass jeder eine gewisse Fähigkeit in sich trägt. Die einen fördern sie, die anderen nicht.
Welche Vorhersagen kannst du für die Zukunft machen?
Ich sehe, dass eine Frau* in diesem Jahr Präsidentin der USA werden wird. Die Konflikte im Nahen Osten lösen sich und es wird nicht zu einem neuen Weltkrieg kommen. Grundsätzlich ist es das Jahr des Aufräumens. Das bedeutet, dass sich viele Probleme zum Besseren entwickeln. Dazu zählt auch die Wirtschaft, die sich erholen wird. Ich sehe viel Positives.