Noelle Benkler bringt Tempo, Technik und Disziplin ins Becken. Mit gerade einmal 17 Jahren gehört sie Bodenwöhrerin schon zur deutschen Schwimmelite. LEO hat die junge Ausnahmeathletin zum Gespräch getroffen.
Im Interview mit der Ausnahmeschwimmerin Noelle Benkler erfahren wir mehr über gewonnene Titel, Leistungsdruck und ihre Olympia-Ziele. Die 17-Jährige, die seit zwei Jahren im Internat am Olympiastützpunkt Heidelberg lebt und trainiert, hat zuletzt nicht nur gleich zweimal die Deutsche Meisterschaft bei den Erwachsenen für sich entschieden – sie ist aktuell auch die schnellste Lagenschwimmerin Deutschlands.
Wann und warum hast du mit dem Schwimmen angefangen?
Ich habe mit circa fünf Jahren das Seepferdchen gemacht. Meiner Mutter war es sehr wichtig, dass ich früh schwimmen konnte, da wir in der Nähe eines Sees wohnen. In den Schwimmverein eingetreten bin ich, nachdem ein Arzt bei mir Skoliose im Alter von circa sieben Jahren festgestellt hat.
Gab es einen Moment, bei dem du wusstest: „Das ist mehr als nur ein Hobby“?
Ich denke, als ich bei meinem ersten Wettkampf in Schwandorf vier Medaillen gewonnen habe. Ab da wollte ich bei jedem Wettkampf meine Zeiten verbessern.
Was bedeutet dir das Internat – sportlich wie persönlich?
Ich bin mit 14 Jahren ins Internat gezogen und habe es keine Minute bereut. Ich habe hier die besten Trainingsmöglichkeiten und Unterstützung, meinen Traum zu leben. Der Pool ist im Keller, der Kraftraum nebenan und somit habe ich nach der Schule und zum Frühtraining keine langen Wege. Das Zusammenleben im Internat ist wie in einer große Familie mit Sportlern, die alle ihre eigenen Ziele haben. Meine Erzieher und Kameraden im Internat sind einfach toll und auch die komplette Schule und die Lehrer unterstützen mich in allen Bereichen.
Wie Schaffst du den Spagat zwischen Leistungssport und Privatleben?
Der Leistungssport ist hart. Ich trainiere zehn mal in der Woche im Wasser je zwei Stunden pro Einheit und fünf mal die Woche Landtraining (Kraft, Yoga, Athletik). Das sind circa 25 Stunden pro Woche. Und natürlich gehe ich in Heidelberg auch zur Schule. Deshalb bleibt nicht viel Zeit für andere Dinge. Meine Familie sehe ich circa alle fünf Wochen und meine Freunde zu Hause noch weniger, aber zum Glück gibt´s ja die sozialen Medien (lacht). Ich würde mir deshalb wünschen, dass der Leistungssport und natürlich speziell auch der Schwimmsport mehr Anerkennung findet. Der Schwimmsport in Deutschland findet im Vergleich zu beispielsweise Fußball kaum statt.
Wie sieht ein typischer Tag bei dir im Internat aus – von Weckerklingeln bis Licht aus?
Um 6.15 Uhr stehe ich auf, dann gibt es ein erstes kleines Frühstück, danach geht es ins Wassertraining für zwei Stunden, anschließend esse ich das zweite Frühstück und dann fahre ich in die Schule. Nach der Schule geht es zurück ins Internat zum Mittagessen, dann mache ich eine kurze Pause und anschließend Hausaufgaben oder Nachführunterricht. Um 16 Uhr ist Landtraining und von 17 bis 19 Uhr schwimme ich wieder. Um 19.30 Uhr gibt es Abendessen und an zwei Tagen in der Woche besuche ich im Anschluss noch die Physiotherapie. Um circa 22.30 Uhr gehe ich schlafen.
Auf welche deiner bisherigen Titel und Meilensteine bist du besonders stolz?
Mein bisher größtes Highlight war, als ich mich 2022 für EYOF (Europäisches Olympisches Jugendfestival) qualifiziert habe und zum ersten Mal mit der Jugendnationalmannschaft für Deutschland an den Start gehen durfte. Dass ich dann noch drei Medaillen gewinnen konnte, war ein unvergessliches Erlebnis. Und natürlich mit 16 Jahren mein erster Deutscher Meistertitel bei den Erwachsenen. Das war völlig überraschend und unerwartet.
Du hast dich gerade auch zur Deutschen Meisterin bei den Erwachsenen gekrönt. Wie fühlt sich dieser Erfolg an?
Sehr, sehr gut (lacht). Ich bin überglücklich, dass ich meinen Titel in den 400 Meter Lagen von 2024 verteidigen und dann auch noch in den 200 Meter Lagen zusätzlich den Titel gewinnen konnte. Im letzten Jahr war ich in dieser Lage noch Fünftplatzierte. Bei den Erwachsenen zu starten und die Olympiateilnehmer so nah zu sehen, ist natürlich auch für mich sehr besonders.
Deine Zeiten sind nur knapp an der WM-Norm vorbei. Wie gehst du mit so einem engen „Fast-drüber“-Moment um?
Kurz war’s in meinem Kopf. Aber ich denke, es ist gut, so wie es ist. Ich bin noch so jung und wenn ich es in diesem Jahr schon geschafft hätte, wie soll es dann weitergehen (lacht)? Man braucht ja immer neue Ziele und deshalb geht es für mich nach der Jugend-Europameisterschaft im Juni zum ersten Mal zur Jugend-Weltmeisterschaft im August. Das hat mich riesig gefreut, als ich die Qualifikationszeiten dazu geschafft habe. Mal schauen, wo ich in den nächsten Jahren noch die zwei fehlenden Sekunden für die WM rausholen kann.
Was sind deine Erwartungen an die Jugend-Weltmeisterschaft – und was möchtest du dort für dich mitnehmen?
Ich habe keine sportlichen Erwartungen, da ich zum ersten Mal auf einer Weltmeisterschaft bin. Die Jahre zuvor waren es immer Europameisterschaften. Deshalb möchte ich neue Erfahrungen sammeln, neue Eindrücke gewinnen und soviel wie möglich lernen. Mein Ziel ist eher, so nah wie möglich an meine Bestzeiten ranzukommen.
Was fasziniert dich an der Disziplin Lagenschwimmen?
Speziell beim Lagenschwimmen muss man alle vier Schwimmstile beherrschen – Rücken, Schmetterling, Brust und Kraul. Deshalb trainiere ich auch alle Lagen und somit habe ich im Becken auch immer Abwechslung. Beim Wettkampf speziell ist es immer spannend, da meine Gegnerinnen und natürlich auch ich die ein oder andere Schwimmlage besser beherrschen und somit ist das Rennen immer.
Was ist das erste, das du machst, wenn du nach einem Wettkampf aus dem Wasser kommst?
Bei kleineren Wettkämpfen gehe ich zu meiner Trainerin, bespreche kurz mein Rennen und gehe dann ins Ausschwimmbecken. Bei großen Wettkämpfen, wie der Deutschen Meisterschaft, ist das Erste ein Interview am Beckenrand, gefolgt von einem weiteren Interview in der Mixedzone. Dann kommt eventuell eine Dopingkontrolle beziehungsweise gehe ich immer noch zur Blutabnahme bezüglich meines Laktatwerts. Danach gehe ich noch kurz zu meiner Trainerin, bevor ich in einem separaten Becken lange ausschwimme.
Dein Trainingsplan klingt ziemlich intensiv. Wie schaffst du es, körperlich auf diesem Level zu bleiben?
Ich habe eine tolle Trainerin: Sie kennt mich sehr gut und weiß auch, wenn ich mal nicht so gut drauf bin. Sie nimmt mich dann aus dem Training oder gibt mir einen Tag Pause. Außerdem haben wir am Stützpunkt tolle Physiotherapeutinnen – dort bin ich auch zweimal in der Woche. Anders würde das nicht so gut ohne Verletzungen funktionieren. Das Höhentrainingslager mit der Nationalmannschaft ist körperlich beispielsweise eins der anstrengendsten. Vor allem weil wir nebenher auch noch unsere Schule nachholen und die Schulaufgaben schreiben müssen. Natürlich ist aber eine gesunde Ernährung und viel Schlaf ebenfalls wichtig, um Erkältungen im Winter so gut es geht zu vermeiden. Denn für uns Schwimmer ist jeder Trainingsausfall schon ein Rückschritt.
Wie wichtig ist die mentale Komponente im Schwimmen – arbeitest du auch mit Sportpsychologen.
Ich würde persönlich sagen, dass der mentale Zustand der wichtigste ist. Man muss bei dem, was man macht, Spaß und Freude haben und zu 100 Prozent diszipliniert und fokussiert sein. Wir haben eine tolle Psychologin am Stützpunkt. Vor wichtigen Wettkämpfen, wie zum Beispiel den Qualifikationswettkämpfen, nehme ich das Angebot gerne an. Auch wenn ich mit der Nationalmannschaft unterwegs bin, haben wir immer eine Sportpsychologin dabei.
Hast du manchmal das Gefühl, auf dir lastet zu viel Druck?
Ja und nein. Ich mache mir den Druck bei manchen Wettkämpfen selbst. Deshalb versuche ich seit einem Jahr nur mit Spaß an meinen Start zu gehen und den Kopf vorher frei zu machen.
Träumst du schon von der Olympia-Teilnahme? Wenn ja – wann könnte es soweit sein?
Ja, natürlich! Ich denke, für alle Leistungssportler ist es das große Ziel (lacht). Ich habe mir 2028 oder auch 2032 als Ziel gesetzt.
Viele junge Menschen kämpfen mit fehlender Motivation – was motiviert dich jeden Tag aufs Neue?
Ich denke an meine Ziele und an das, was ich schon erreicht habe. Da fallen mir viele schöne Momente ein und ich weiß wieder, warum ich jeden Tag aufs Neue in den Pool steige.
Was machst du, wenn du mal einen schlechten Tag im Wasser hast?
Wenn ich mal einen schlechten Tag im Wasser habe, was tatsächlich erst letzte Woche vorgekommen ist, bin natürlich immer sehr enttäuscht, da ich ein sehr ehrgeiziger Mensch bin. Dennoch rede ich dann erst mal mit meiner Trainerin und wir besprechen, ob wir eine freie Einheit brauchen oder woran es lag. Ich telefoniere auch mit meiner Mutter, sie kann mich immer gut runter holen. Anschließend versuche ich mich abzulenken mit Sachen, die ich mag, zum Beispiel mit Serien.
Stell dir vor, du dürftest einmal in eine völlig andere Sportart reinschnuppern – welche wäre das und warum?
Ich glaube Turnen. Das habe ich auch schon immer gerne gemacht. Aber auch Reiten, Wakeboarden oder Tanzen finde ich gut.
Stell dir vor, du gibst der zehnjährigen Noelle einen Tipp – was würdest du ihr sagen?
Sei nicht aufgeregt vorm Start, genieße die Atmosphäre, freue dich auf dein Rennen und hab Spaß! Setze vor dem Start Kopfhörer auf und höre deine Lieblingsmusik! Das ist der Geheimtipp, der mich im Schwimmen ganz nach vorne gebracht hat und mit dem ich meine Nervosität lindern konnte.
Gibt es ein Lied, das dich sofort in Wettkampf-Stimmung bringt?
Da gibt es viele, aber meine Nummer eins ist: „Shake it Off“ von Taylor Swift.