Susi Honig ist eine junge Frau, Mama von zwei Kindern und unheilbar krank. Wie meistert die 35-Jährige ihren Alltag mit palliativer Brustkrebs-Diagnose, welcher Perspektivenwechsel ist entscheidend und woraus schöpft sie Kraft?
Susi Honig aus Illschwang ist gerade 33 Jahre alt, als sie im Frühjahr 2022 nach dem Abstillen ihres zweiten Sohnes durch Abtasten einen Knoten in der linken Brust entdeckt. Ihre Frauenärztin geht zuerst von nichts Schlimmen aus, da die Verhärtung auch vom Stillen kommen könnte. Zur Sicherheit werden Untersuchungen, eine Mammographie und Biopsie, gemacht. Die Diagnose erreicht sie per Anruf, als sie gerade mit ihren Kindern im Garten spielt: Brustkrebs. „Und das war, wie wenn‘s einem den Boden unter den Füßen wegzieht“, sagt sie. „Man realisiert das erst mal gar nicht.“ So macht die junge Mutter eines ein- und vierjährigen zunächst mit ihrem gewohnten Alltag weiter.
In den nächsten Tagen folgen Untersuchungen, die die Situation realer machen. Die finale Diagnose bekommt die im Sommer 2022. Gerade wenn man so jung ist, ist so ein Befund überwältigend und überfordernd. Trotzdem will Susi nicht gleich vom Schlimmsten ausgehen und abwarten, wie sich alles entwickelt. Da der Tumor sehr klein ist, ist zunächst keine Chemotherapie nötig.
Im August muss sie sich entscheiden, ob die Brust abgenommen oder ein Implantat eingesetzt werden soll. Entgegen ihrem Bauchgefühl hört sie auf die Ärzte, welche ihr zu Letzterem raten. Um ihren Kindern die Krankheit verständlich zu machen, lässt sie ihren älteren Sohn den Knoten ertasten und erklärt ihm, dass dieser operiert werden muss. Das betroffene Gewebe wird entfernt und weiter untersucht: Mit dem postoperativen Ergebnis, dass nicht genügend gesundes Gewebe für das Implantat verblieben ist, trifft sie ein weiterer Schlag. Wegen der vorherigen Entscheidung für das Implantat zögert Susi, einer vollständigen Entfernung sofort zuzustimmen, und möchte abwarten. Zahlreiche Gespräche mit ihrem Mann und ihrer Familie helfen ihr. Ebenso wie der Rat zur Meditation, der Arbeit mit sich selbst, um mental damit umgehen zu können. Schon im Krankenhaus öffnen sich ihr neue Türen, sie lernt sich selbst und ihre Seele kennen.
Für die heute 35-Jährige ist die Krankheit kein niederschmetterndes Urteil, sondern ein Weckruf. Das alltägliche Leben ist oftmals selbstverständlich, man beschwert sich zu häufig über Kleinigkeiten und weiß das meiste nicht zu schätzen. Auch Susi ist der Meinung, sie sei bei Auftreten der Krankheit an einem Punkt im Leben, an dem ihre Ziele erreicht wären und sie sich trotzdem ruhelos und unerfüllt fühlte. „Man ist immer auf der Suche und denkt sich, wenn das passiert, wenn man das erreicht, dann ist man glücklich und alles ist perfekt.“ Die Überzeugung, dass einen keine Krankheit zufällig trifft, gibt ihr den Glauben, dass es so gekommen ist, um ihr ihre Richtung im Leben zu zeigen. Weder der Krebs noch das Leben wollen ihr etwas Schlechtes – es sind Situationen und Hürden, an denen sie wachsen darf.
Die Krankheit ist deshalb kein Leidensweg, sondern ein Heilungsweg und Aufwachen für die zweifache Mama. Durch die Stütze auf alternative Medizin und spirituelle Ansätze hat sie für sich gelernt, dass Vieles nichts mit dem Äußeren, sondern dem Inneren zu tun hat. Es ist ihr Weckruf, jeden Moment zu genießen und dankbar zu sein. Betroffenen rät Susi, sich nicht auf die Krankheit zu versteifen, sondern ihre Perspektive zu wechseln und offen zu sein. Neben der Schulmedizin können sie auch in der Spiritualität ihren eigenen helfenden und heilenden Weg finden, so ihre Botschaft.
Trotz positiver Energie und zunächst erfolgreicher Therapien stellt sich im Frühjahr 2023 ein Rezidiv, ein Rückfall der Krebserkrankung, ein. Dieses Mal entscheidet sich die junge Frau ganz bewusst für das Entfernen der Brust. Dieser Schritt fällt ihr nicht schwer, da diese Entscheidung bei ihr liegt und sie gedanklich dafür bereit ist, erklärt sie.
Im Dezember 2023 hat sie jedoch starke Gelenk- und Rückenschmerzen, kann kaum noch laufen, geschweige denn ihre Kinder tragen, und wird erneut untersucht. Knochenmetastasen in der Wirbelsäule werden festgestellt. Mit dieser Diagnose ist sie als palliativ, also nicht mehr heilbar, eingestuft. Ihr Behandlungsplan sieht nun doch eine Chemotherapie und Bestrahlung vor, die auf die teilweise schon angebrochenen Wirbel gerichtet werden. Durch diese Behandlung haben sich die Metastasen mittlerweile verknöchert und sind stabil – aber vorhanden.
Ein großes mentales Thema für die Familienmama sind zunächst die ausfallenden Haare. „Vor dem Schritt zu stehen, sie abzurasieren, war schlimm. Aber es dann tatsächlich zu tun, gar nicht – es war eine Erleichterung. Das Schlimme war die Vorstellung, wie es wohl ohne Haare ist.“ Diese Etappe ist auch für ihre Kinder nicht einfach, sie sehen ihre Mama zu dieser Zeit lieber mit Mütze oder Turban, aber auch das ist für Susi völlig verständlich. Nicht nur für Kinder, sondern auch für Außenstehende ist das Thema oft schwierig: Manche sprechen Susi darauf an, andere gehen ganz normal mit ihr um, ohne es zu erwähnen. Beides ist für Susi in Ordnung. Der Optimistin war es nur wichtig, ihr Leben trotz Chemo normal weiterführen zu können und am Alltag teilzunehmen. Sie wollte nicht auf ihre Krankheit beschränkt werden, sondern ihr Leben damit meistern.
Während der Therapien trifft sie auf andere betroffene Frauen, mit denen sie noch immer in Kontakt steht. Einmal im Quartal gehen sie essen, genießen den Moment und lachen – wie schon während der Chemo – gemeinsam. Die positive Energie und Dankbarkeit der 35- bis 70-jährigen Frauen schenken Susi pure Lebensfreude. Auch ihre Freundinnen sind ihr während der Behandlung eine Stütze: Sie bringen selbstgemachte Smoothies, kleine Geschenke wie Zeitschriften und sind für sie da.
Die Bindung zu ihren Lieben ist stark, vielleicht stärker als zuvor. Freunde und Familie sorgen sich und lassen sich von Susi daran erinnern, wie dankbar man im Leben eigentlich sein darf. Zu Susis Geschichte gehört nun eine lebenslange Behandlung, alle drei Wochen eine Antikörper-Therapie und alle sechs Wochen eine Infusion zum Knochenaufbau. Die Angst, dass erneut Tumore gefunden werden, ist immer präsent, meint Susi. Sie beschreibt es als Welle.
„Diese Gefühle sind normal und dürfen da sein, manchmal auch für ein paar Tage, aber man darf nicht hängen bleiben, sie müssen auch wieder gehen.“ Ein bewusster Tagesablauf mit Zeit für sich selbst, Rituale wie Meditation, Walken und Malen, sind für sie eine Kraftquelle – auch für schlechtere Zeiten.
Eine zeitliche Prognose hat und möchte Susi Honig nicht, weil sie davon überzeugt ist, dass es Wunder gibt. Die Aussage, dass eine Krankheit nicht heilbar ist, ist für sie nur Statistik und bedeutet nicht, dass man daran sterben muss. Sie vertraut dem Leben und plant es dementsprechend unvoreingenommen. „Warum sollte ein kranker Mensch mehr Angst haben, früher zu sterben als ein gesunder? Natürlich weiß ich wahrscheinlich mal die Ursache, woran ich sterbe, aber nicht wann.“ Die Familienmama möchte aus diesem Grund auch nach außen tragen, dass man das tun sollte, was man möchte und auch nicht damit warten soll, es zu tun. Angst vor dem Sterben selbst hat sie ebenso wenig. Schon immer hat sie die Vorstellung, dass man irgendwann alle wieder trifft und mit allen vereint ist.
Selbst wenn ihre Erkrankung in einigen Jahren wieder schlimmer werden sollte, hofft Susi auf medizinischen Fortschritt. Ihre aktuelle Behandlung ist nach fachlichen Meinungen über Jahrzehnte möglich, aber es gibt noch viele andere Medikamente und Möglichkeiten, an denen stetig geforscht wird. Die wichtigste Lektion ist für sie die Erkenntnis, dass Selbstliebe der Schlüssel zu Heilung ist. Ihre Botschaft an Betroffene und Angehörige lautet: Lebensmut und Hoffnung durch innere Stärke und Akzeptanz.