Karolina Hanczuch: Vom Fitnessstudio zur Powerlifting-Meisterschaft | Amberg24

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24.09.2024
Powerlifting – eine Sportart, die immer mehr an Beliebtheit gewinnt, auch bei Frauen. Karolina Hanczuch ist eine von ihnen.  (Bild:  Dedicatedsports)
Powerlifting – eine Sportart, die immer mehr an Beliebtheit gewinnt, auch bei Frauen. Karolina Hanczuch ist eine von ihnen. (Bild: Dedicatedsports)
Powerlifting – eine Sportart, die immer mehr an Beliebtheit gewinnt, auch bei Frauen. Karolina Hanczuch ist eine von ihnen. (Bild: Dedicatedsports)
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Powerlifting – eine Sportart, die immer mehr an Beliebtheit gewinnt, auch bei Frauen. Karolina Hanczuch ist eine von ihnen. (Bild: Dedicatedsports)

Karolina Hanczuch: Vom Fitnessstudio zur Powerlifting-Meisterschaft

Disziplin. Stärke. Weiblichkeit. Karolina Hanczuch strahlt all das aus. Die 26-Jährige tritt regelmäßig erfolgreich bei Wettkämpfen im Kraftdreikampf an. Mit Kniebeugen, Bankdrücken und Kreuzheben will sie sich ihren Traum erfüllen.

Powerlifting – eine Sportart, die immer mehr an Beliebtheit gewinnt. Sie besteht aus den drei Disziplinen Kniebeugen, Bankdrücken sowie Kreuzheben und wird im Deutschen auch Kraftdreikampf genannt. Die Luhe-Wildenauerin Karolina Hanczuch brennt für diesen Sport, seit sie das erste Mal in einem Fitnessstudio war. „Blöd gesagt braucht man dafür kein Talent, sondern eisernen Willen und Disziplin. Das kann jeder machen. Nicht so wie beispielsweise beim Langlauf, wo man lange Beine braucht. Das spielt bei diesem Sport keine Rolle. Wenn man kleiner ist, hat man noch eher einen Vorteil und kann durch das Hebelverhältnis mehr Gewicht rausholen“, erklärt die 26-Jährige, die Sport und Geschichte studiert.

Anfang 2019 versucht sie sich das erste Mal in einem Fitnessstudio, nachdem sie schon viele andere Sportarten ausprobiert hat: „Basketball, Judo oder so hat mich nie richtig gecatcht. Ich habe nie sagen können ‚Das bin ich‘. Dann nahm mich ein Freund mit ins Studio. Er meinte, dass ich, da ich klein bin, die perfekte Ausgangslage für Hebeübungen habe.“ Die 1,59 Meter große Karolina fängt leicht an und merkt schnell erste Erfolge. „Es hat Spaß gemacht und ich war immer voll bei der Sache“, erzählt sie.

Ende des gleichen Jahres möchte sie wissen, wo sie steht, ob sich das viele Training lohnt und ob sie mit der Sportart weitermachen möchte. Also nimmt sie an ihrem ersten Wettkampf teil. „Ich bin direkt Bayerische Meisterin bei den Juniors geworden“, blickt sie noch immer voller Stolz zurück. Also bleibt sie beim Kraftdreikampf und verbessert seither ihre Hebeleistungen immer mehr.

Mehr Selbstbewusstsein

„Es ist eine Sportart, die sehr selbstbewusst macht. Du hast nur dich selbst und das Gewicht und lernst deine Grenzen kennen und zu was du fähig bist. Du weißt, was du leisten kannst und brauchst ständige Disziplin“, erklärt die Sportlerin. Dabei sei jedes Training eine Herausforderung. Denn auch an schlechten Tagen, an denen sie keine Lust hat, ist ihr eiserner Wille gefragt. „Aber das schöne Gefühl, wenn man es dann geschafft hat, ist unbeschreiblich. Das macht was mit seinem Selbstbewusstsein. Vor sieben Jahren war ich noch eine graue Maus und hab mich immer hinter anderen versteckt.

Vier Mal in der Woche trainiert Karolina im Gym. Dazu hat ihr Coach ihr einen individuellen Trainingsplan zusammengestellt. Ihr Fokus liegt dabei auf den Hauptübungen. „An allen vier Tagen trainiere ich Bankdrücken in verschiedenen Variationen – mal sind die Arme enger beieinander, mal sind die Füße oben, damit ich eher aus der Brust raus drücke. Zwei Mal pro Woche mache ich Kniebeugen und zwei Mal Kreuzheben – auch jeweils im Standard und mit Variationen wie etwa mehr Wiederholungen mit weniger Gewicht.“ Hinzu kommen die Zusatz- und Nebenübungen, um ihr Grundgerüst zu stabilisieren. Dazu gehört das Training der Bauchmuskulatur, des Rückens und der Schultern. Zum Ausgleich geht die Sportstudentin viel Spazieren oder sammelt ihre Schritte bei ihrer Arbeit in einem Weidener Restaurant.

Aufwärmen, aufbauen, trainieren, abbauen, … ein Training dauert bei der Powerlifterin zwischen eineinhalb und zweieinhalb Stunden. „Ich schaue auch sehr viel auf meine Technik, um Verletzungen zu vermeiden.“ Dabei ist ihre stärkste und liebste Disziplin die Kniebeuge. „Am Kniebeugetag bin ich schneller fertig als am Kreuzhebetag. Kreuzheben mag ich am wenigsten. Da ziehe ich die Pausen mehr in die Länge“, erklärt sie und lacht. Für die Trainingsplanung und um das beste Ergebnis bei Wettkämpfen zu erzielen, steht Karolina ein Trainer zur Seite. „Ich weiß selbst, was, wann und wie alles funktioniert, aber ein Coach ist wichtig, um eine objektive Meinung zu deiner Leistung zu haben. Man selbst mindert seine Ergebnisse immer gerne.“ Der Coach der Luhe-Wildenauerin nimmt auch auf die schwankende Leistungsfähigkeit und Energie innerhalb des weiblichen Zyklus der Sportlerin Rücksicht. „Ich habe bisher noch von keinem anderen Trainer die Frage gestellt bekommen, ob ich vor einem Wettkampf meine Tage bekomme oder anderweitig eingeschränkt bin. Das berücksichtigt er alles.“

Die Balance zählt

Bei der Ernährung ist Karolina nicht ganz so diszipliniert wie bei ihren Trainingseinheiten. „Ich bin jemand, der nicht immer strikt nach Plan isst. Ich will mir nicht alles verbieten. Wenn ich schon Treffen in meinem Privatleben verschieben muss, um ins Training gehen zu können, dann will ich wenigstens das Essengehen genießen und auch mal ein Bierchen trinken. Und auch, wenn ich mal zehn Gramm weniger Eiweiß oder mehr Kohlenhydrate zu mir nehme als erlaubt, ist das in Ordnung“, verdeutlicht sie. „Fakt ist, wenn ich mehr auf meine Ernährung achten würde, wäre ich besser. Aber das ist die Frage: Will ich das oder lieber die Lebensfreude?“

Auch im Urlaub nimmt sie sich gerne mal eine Auszeit. „Wenn es die Möglichkeit gibt, dann nutze ich sie und trainiere.“ Dabei fällt ihr Training jedoch nicht so spezifisch aus wie im heimischen Studio. „Wenn ich aber in einem Hotel ohne Gym keinen Urlaub mehr machen könnte, dann würde es mich einschränken. Und das möchte ich nicht. Für mich ist es sehr wichtig eine Balance zu finden. Sport kann ja auch süchtig machen.“

„Die Hantel ist beladen“

Kurz vor ihren Wettkämpfen trainiert Karolina mit mehr Gewicht und weniger Wiederholungen. Hier zählt jedes Training. Die Einheiten sind schwerer, der Körper müder und das Verletzungsrisiko ist höher. Aber die harten Vorbereitungen lohnen sich: „Wenn beim Wettkampf die Durchsage ‚Die Hantel ist beladen‘ kommt und du auf die Plattform gehst, das Gewicht stehen siehst, darauf zu gehst und weißt, du musst jetzt alles geben, was du hast, das ist unbeschreiblich. Alle fiebern mit, gucken und rufen dir zu. Das ist so ein Gänsehautmoment. Da zählt auch nicht, dass du vor drei Wochen krank warst oder eine andere Ausrede hast.“

Jeder Teilnehmer bekommt pro Disziplin drei Versuche. Bei jedem neuen Versuch muss mehr Gewicht gestemmt werden. Gezählt wird am Ende das Totalgewicht aus allen Disziplinen. Karolina tritt in der Gewichtsklasse ab 84 Kilogramm an und kam beim letzten Wettkampf in Juni 2024 auf eine Totalgewicht von 432,5 Kilo. Was sich aus 170 Kilogramm bei den Kniebeugen, 90 beim Bankdrücken und 172,5 beim Kreuzheben zusammensetzt. Lediglich eins macht Karolina vor den Wettkämpfen zu schaffen: „Ich muss mich immer vor der ersten Kniebeuge übergeben. Das ist so ein Nervositätsding. Aber es wird immer besser“, erzählt sie und lacht.

Ihren für sich größten Erfolg feiert die Sportlerin 2022. So ging sie bei ihrer ersten Deutschen Meisterschaft, bei der sie nicht mehr in der Gruppe der Junioren antrat, überraschenderweise als Vizemeisterin aus dem Wettkampf. „Mittlerweile erfährt der Sport immer mehr an Popularität und es kommen Sportler aus den verschiedensten Nischen dazu, so dass es immer schwieriger wird zu gewinnen“, erklärt Karolina.

Doping und Konkurrenzdenken

Während der Wettkämpfe dürfen die Teilnehmer lediglich mit Hilfsmitteln wie Bandagen, Kniestulpen und Gürteln antreten. Diese Utensilien ermöglichen es den Sportlern ihre Kräfte zu sammeln und richtig einzusetzen. Doping ist wie in jeder anderen Sportart hier ebenso verboten. Die Powerlifter müssen sich strikt an die Vorgaben der NADA (Nationale Anti Doping Agentur) halten und werden im Zufallsprinzip getestet. Zu den verbotenen Mitteln zählen auch Medikamente wie beispielsweise Aspirin auf Grund ihrer blutverdünnenden Eigenschaft oder bestimmte Nasensprays. „Es gibt immer schwarze Schafe. Es wurden auch schon oft welche erwischt und bei Wettkämpfen rausgezogen. Wie bei jedem Sport gibt es Leute, die das Beste mit Hilfsmitteln erreichen wollen“, erklärt Karolina, die auch selbst schon getestet wurde.

Der Konkurrenzgedanke ist in diesem Sport allgegenwärtig: „Man vergleicht sich viel. Ich habe oft den Gedanken, alles hinzuschmeißen, weil ich nicht so stark bin wie andere. Social Media macht es nicht leichter, weil es da immer nur die beschönigte Version zu sehen gibt“, sagt Karolina. „Man muss sich trotzdem immer die Realität vor Augen holen. Und mit den Jahren kommt das gute Gefühl und das Selbstbewusstsein. Dabei ist mein allerhöchstes Ziel, besser als mein gestriges Ich zu sein.

Zudem hat Karolina noch ein weiteres Ziel, auf das sie stets hinarbeitet. „Ich möchte einmal auf einer internationalen Bühne stehen und im deutschen Kader antreten“, erzählt sie. „Egal wie alt ich dann bin, wenn ich es schaffen sollte – auch mit 60 noch.“ Für diesen Traum muss die Sportlerin ein bestimmtes Totalgewicht erreichen und sich im Kaderlager des BVDK (Bundesverband Deutscher Kraftdreikämpfer) beweisen.

Stärke und Weiblichkeit

Karolina hört immer wieder – vor allem anfangs, dass sie mit dem Kraftsport aufhören solle, weil es nur was für Männer sei oder sie irgendwann zu männlich aussehe. „Aber was hat stark sein mit nicht weiblich sein zu tun?“, fragt sich die taffe Sportlerin. „Auch die Zahlen auf der Waage sagen nichts über mich aus.“ Erst jetzt hat Karolina das Gefühl, sie könne feminine Kleidung tragen und sich dabei wohl fühlen. So postet sie mittlerweile sogar Bilder auf Instagram, die ihre Weiblichkeit unterstreichen und bekommt dafür Zuspruch: „Die anderen Mädels feiern das voll und trauen sich jetzt auch, die Kleidung zu tragen, die ihnen gefällt. Jeder kann und darf das. Jeder sollte das anziehen, worin er sich wohl fühlt. Und wenn ich bauchfreie Kleidung tragen möchte, dann tu ich das.“

Karolina hört auch immer wieder von anderen Frauen, dass sie Angst haben in ein Fitnessstudio zu gehen. „Aber jeder hat mal angefangen und klein gestartet. Es gibt niemanden, der dich dort auslacht, egal ob du dünn oder übergewichtig bist. Man kann auch immer die Leute im Studio ansprechen oder sich über Insta Tipps holen“, sagt sie. „Man muss einfach den Mut finden, hinzugehen und mit dem Sport anzufangen.“

Auch das Alter sollte laut Karolina keine Hürde darstellen: „Nach oben hin ist keine Grenze gesetzt. Ich war schon mal auf einem Wettkampf, auf dem eine 75-Jährige angetreten ist. Das war so schön anzusehen, wie sie in ihrem Alter die Gewichte hochhebt.“

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