Mehrere Millionen Menschen kämpfen in Deutschland mit einer Abhängigkeit. Benjamin Treffert, Teamleiter der Caritas Suchtberatung in Amberg, erzählt über seine Arbeit mit Suchtkranken und die Entwicklungen rund um Amberg.
Als Sucht bezeichnet man das zwanghafte Verlangen nach bestimmten Substanzen oder Verhaltensweisen. Diese werden trotz negativer Auswirkungen auf die Gesundheit weiter konsumiert beziehungsweise beibehalten. Der/die Betroffene kann nicht mehr ohne das Suchtmittel leben. Laut dem Bundesministerium für Gesundheit sind in Deutschland mehrere Millionen Menschen von einer Abhängigkeit betroffen. Um das Thema besser zu verstehen, haben wir uns mit dem Sozialpädagogen Benjamin Treffert getroffen. Er ist Teamleiter der Caritas Suchtberatung in Amberg. Mit uns spricht er über Sucht im Allgemeinen, seine Arbeit und die Entwicklungen in der Region.
Die Caritas Suchtberatung in Amberg begleitet Menschen mit jeglicher Art von Sucht. Dabei wird zwischen „stoffgebundenen” und „stoffungebunden” Abhängigkeiten unterschieden. Zu den stoffgebundenen gehören legale Drogen, wie Tabak und Alkohol, illegale Drogen, wie Cannabis, Kokain oder Amphetamine, und Medikamente, wie Benzos oder Opiate. Stoffungebundene Abhängigkeiten sind beispielsweise Glücksspiel, Kaufsucht, Sexsucht, Internetsucht oder Essstörungen.
Oftmals wird von einem „Tag-X” geredet, an dem eine Sucht begonnen hat, beispielsweise ein schlimmer Unfall, ein Todesfall in der Familie oder eine Trennung. Doch laut Treffert ist das Ganze nicht so einfach. „Abhängigkeitserkrankungen sind sehr komplex. Das liegt daran, dass mehrere Faktoren dazu beitragen, um eine Gefährdung für eine Sucht hervorzurufen”, erzählt der Sozialpädagoge.
Zum einen gehe es um den eingenommenen Stoff. Bei Alkohol und Cannabis beispielsweise dauere es länger, um in eine Abhängigkeit zu kommen, als bei Heroin oder Fentanyl. Auch die Wirkung spiele eine Rolle. Gefällt einer Person die Wirkung von Alkohol nicht, ist die Wahrscheinlichkeit einer Alkoholsucht deutlich verringert. Ein weiterer Faktor sei der Freundeskreis und dessen Einstellung. Hat man Freude, die jeden Tag ins Casino gehen oder Drogen nehmen, ist die Versuchung höher, das Ganze selbst mal auszuprobieren.
Des Weiteren spielen Freizeitmöglichkeiten und Hobbys eine Rolle. „Wenn ich viermal die Woche ins Fitnessstudio gehe, dann ist die Wahrscheinlichkeit kleiner, in eine Abhängigkeit zu geraten, als wenn ich dauernd im Wirtshaus bin”, erklärt Treffert und fügt hinzu: „Es kommt auch auf die Verfügbarkeit an. In Deutschland ist Alkohol sehr verfügbar. Deshalb ist das auch immer noch die Volksdroge Nummer eins.” Der letzte Baustein für eine Sucht sei die Persönlichkeit. Dabei sei entscheidend, wie man mit Stress, Gefühlen und Emotionen umgeht.
Die Caritas behandele die Menschen nicht direkt, sondern begleitet und unterstützt diese. „Wir sind eine Beratungsstelle”, sagt Treffert und fügt an: „Wir begleiten Menschen, informieren sie über Behandlungsansätze und schauen, welche Art von Hilfe vorrangig ist.” Zudem unterstütze die Caritas bei der Entgiftung und bei der nachfolgenden Therapie. Den Leuten werde vor allem im Alltag geholfen. „Wir helfen, dass sie beispielsweise abstinent bleiben oder ihr Konsum nicht zu stark zunimmt”, so der Sozialpädagoge. Auch das Thema „Safer Use” spiele dabei eine große Rolle. Dabei sollen die Schäden und Risiken beim Drogenkonsum minimiert werden. Bei der Caritas würden übrigens nicht nur die Betroffenen selbst begleitet, sondern auch die Angehörigen. „Eine Sucht kann die Angehörigen wirklich massiv belasten und krank machen”, so Treffert.
Bei der Behandlung gilt es auch herauszufinden, was die Intentionen der Betroffenen sind. „Geht es darum, dass jemand aus der Sucht herauskommen möchte oder geht es darum, dass er/sie noch gar nicht so tief drin ist”, erklärt der Sozialpädagoge. Einige Personen, besonders junge Menschen, würden oftmals vom Gericht oder den Eltern geschickt. Da diese nicht freiwillig kommen, müsse man das Ganze auch anders angehen. Eine der wichtigsten Aufgaben für die Caritas sei es, eine gute Bindung zu dem Betroffenen aufzubauen. Nur so könne effektiv gearbeitet werden.
In den letzten Jahren sei die Anzahl der Klienten bei der Caritas Amberg etwas mehr geworden, sagt Benjamin Treffert. Dabei hätte die Anzahl der Alkoholsüchtigen abgenommen und die der Drogensüchtigen zugenommen. „In den Jahren zuvor haben Menschen mit Alkoholproblemen immer den Großteil ausgemacht”, erklärt der Pädagoge und fügt an: „Bei der letzten Statistik konnten aber wir erkennen, dass Alkohol und Drogen fast gleichauf waren.” Laut Treffert komme das nicht zwingend davon, dass Leute auf einmal mehr illegale Drogen konsumieren. Sondern. Es würden sich mehr Menschen Hilfe suchen. Bei den Jugendlichen wiederum lasse sich erkennen, dass Alkohol kaum eine Rolle spielt. Die Meisten kämen wegen Cannabis, Benzos, Amphetaminen und Opiaten.
Auffällig im Bereich der Erwachsenen sei außerdem, dass die Zahl der Menschen mit Glücksspielproblemen zurückgeht. Auch Themen wie beispielsweise Essstörungen gäbe es bei den Älteren kaum. Das liege vermutlich an den vorhandenen Fachstellen für Essstörungen in Regensburg und Nürnberg. Bei den Jugendlichen sei das anders. Aufgrund der fehlenden Transportmöglichkeiten kämen viele junge Menschen mit Essproblemen auch zur Caritas nach Amberg.