Der Meister des Horrors: Mario Weiß produziert Hörspiele in Illschwang | Amberg24

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Mario Weiß aus Illschwang produziert Hörspiele und Hörbücher für Fans des Unheimlichen. (Bild: Marco Räder-Rubenbauer)
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Mario Weiß aus Illschwang produziert Hörspiele und Hörbücher für Fans des Unheimlichen. (Bild: Marco Räder-Rubenbauer)

Der Meister des Horrors: Mario Weiß produziert Hörspiele in Illschwang

In der Dunkelheit nähern sich Schritte. Eine Messerklinge wetzt immer wieder an der Wand. Szenarien wie diese sind die große Leidenschaft von Mario Weiß. Der Multimediaverleger produziert Hörspiele und Hörbücher für Fans des Unheimlichen.

Unerklärliche Phänomene in einer Universitätsbibliothek, ein altes Kellergewölbe, das ein dunkles Geheimnis birgt, aber auch Sagengestalten der Oberpfalz. Das Repertoire an multimedialen Werken, das Mario in seinem Verlag „Yellow King Productions“ in Illschwang produziert und verlegt, könnte kaum vielfältiger sein. Seine Liebe zum Horror und der Weird Fiction, einem Subgenre der spekulativen Fiktion, das seinen Ursprung im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert hat, lässt bereits der Name „Yellow King“ erahnen. „Er bezieht sich auf die Kurzgeschichtensammlung ,Der König in Gelb’ von Robert W. Chambers aus dem Jahr 1895 – die Inspiration für H. P. Lovecrafts ,Necronomicon’. Ich bin ein riesiger Lovecraft-Fan. ,Yellow King Productions’ ist neutral genug, um kein Aufsehen zu erregen aber cool, wenn man den Bezug kennt“, erklärt Mario und lacht.

Seit fünf Jahren erweckt der Sulzbach-Rosenberger hauptberuflich Geschichten zum Leben und lehrt seinen Hörern das Gruseln. Das erste Hörspiel „Die falsche Erlösung“ veröffentlichte er schon vor zwölf Jahren gemeinsam mit seinen Freunden Patrick Santy und Martin Dehling, die beide auch maßgeblich an der späteren Verlagsidee beteiligt waren: „Sowas einmal selbst zu versuchen lag auf der Hand. Ich bin Musiker und wir hatten bereits damals einen Proberaum mit eigenem Tonstudio. Patrick hatte Film- und Theatererfahrung und war einer der Sprecher und Martin hatte die Idee für die Geschichte, die auch die gleichen Stilmerkmale wie Lovecrafts Werke aufweist: Eine Mischung aus historischen Fakten und Fiktion“, erinnert sich Mario. Im Zentrum – die beiden jüdischen Kabbalisten Abraham Abulafia und Josef Gikatilla, die auf kosmisches Grauen treffen. „Heute hört man deutlich, dass es unser Erstlingswerk war“, sagt Mario. Doch sein Interesse, sich tiefer in das Verlagswesen und Vertonungen einzuarbeiten, war geweckt. „Irgendwann hat mich mein Beruf einfach nicht mehr gereizt. Damals habe ich viele Jahre beim US-Militär gearbeitet. Auf dem Weg in die Arbeit habe ich Hörbücher gehört, und während der Arbeit habe ich mir gedacht, dass ich die Zeit viel sinnvoller nutzen könnte, indem ich etwas produziere, das andere wiederum auf dem Weg in ihre Arbeit hören können.“ Mario macht sich die Entscheidung nicht leicht, kündigt schließlich seinen Job und macht sich selbstständig. „Ein sicheres System zu verlassen ist schwer. Aber mein Umfeld hat mir Mut gemacht, das hat geholfen. Außerdem gab es in meiner Vorstellung keinen Plan B mehr.“

Heute verwirklicht er seine Liebe zum Hörspiel, die schon seit seiner Kindheit ein Teil von ihm ist. „Wir hatten damals nur drei Programme im Fernseher, dafür besaß ich viele Hörspielkassetten. So eine Kassette war für mich pures Gold. Ich habe sie immer und immer wieder angehört. Noch nach Jahren hat mir die Stimme des Joker-Sprechers Peter Wenke aus den Batman-Geschichten eine Gänsehaut bereitet, wenn ich sie gehört habe.“ Bis heute begeistert ihn die Individualität dieses Mediums. „Jeder hört die gleiche Geschichte, stellt sich aber andere Bilder und Szenen dazu vor. Das funktioniert bei Filmen nicht. Was keinesfalls bedeutet, dass ich nicht auch ein großer Filmfan bin. Aber im Leben geht es immer mehr um das wichtige Thema Zeit. Hörspiele oder Hörbücher kann man überall genießen, egal ob bei einem Spaziergang im Wald, beim Sport oder bei Erledigungen im Haushalt.“

Von Comic bis Audioguide

Mehr als 150 Titel hat Mario Weiß bisher in seinem Verlag veröffentlicht. Darunter Hörbücher, Hörspiele, historische Romane, Comics und Regionales im eBook- und Printformat. „Ein weiterer Schwerpunkt sind Audioproduktionen generell. Videospielvertonung, Synchronisation, Audioguides – ein unglaublich vielseitiger Bereich. Es geht mir darum, Wissen weiterzugeben und zu konservieren. Auch haben blinde Menschen dadurch einen barrierefreien Zugang zu Unterhaltung und Informationen.“ Die Geschichten für die Veröffentlichungen findet er auf unterschiedliche Wege. „Ich gehe auf Autoren und Autorinnen zu, wenn mich eines ihrer Werke fasziniert und frage, ob sie Interesse an einer Zusammenarbeit haben. Gleichzeitig kommen aber auch Menschen mit ihren Geschichten auf mich zu. ,Yellow King Productions’ ist ein Verlag, der Titel veröffentlicht, die ein großer Verlag vielleicht nicht umsetzen würde, weil es für diesen unwirtschaftlich wäre. Aber genau in diesen kleineren und vielleicht unbekannteren Inhalten liegen oft unglaublich tolle Möglichkeiten.“ Die präferierten Genres sind: Science-Fiction, Fantasy, Historisches und vor allem Grusel und Unheimliches. „Menschen sind schon immer fasziniert vom Bösen. Sie sind Grenzgänger und leben medial gerne das aus, was sie in der Realität nicht erleben“, erklärt Mario. „Für mich persönlich ist Horror ein Kontrastprogramm zum wahren und von Menschenhand geschaffenen Schrecken auf dieser Welt – all das, was man in den Medien hört: Kriege, Gewalt, Katastrophen. Phantastische Unterhaltung lenkt viele von den tagtäglichen Alltagsdramen ab.

Rund 400 Stimmen hat Mario inzwischen in seiner Sprecherkartei. „Wenn ich in einem Café sitze und eine Stimme höre, die mir gefällt, kann es schon passieren, dass ich die Person anspreche und frage, ob sie nicht Lust hätte, etwas zu vertonen“, erzählt er. Die Produktion eines Hörspiels ist aufwendig. „Zuerst bereite ich den Text vor und erstelle das Skript, plane das Budget und organisiere das Artwork – beispielsweise eine Coverillustration und das Layout. Gleichzeitig suche ich passende Sprecher oder Sprecherinnen aus der Kartei.“

Die Aufnahmen werden zum Teil in Marios Tonstudio gemacht. Wie man sich das vorstellen muss? „Eine Person sitzt oder steht in der Kabine und spricht den Text ein. Das ist bei einem Hörbuch auch so. Manchmal sind es auch zwei, wenn wir einen Dialog hörbar machen wollen.“ Eine weitere Aufnahmetechnik ist das sogenannte X-en: „Die Sprecher nehmen ihren Part im eigenen Homestudio oder einem externen Studio auf und schicken ihn mir. Dann wird alles zusammengeschnitten.“

Tintenfische und Putzlappen

Hörspiele bringen noch eine weitere Aufgabe mit sich: die Audiokulisse. „Ich weiß nie auf Anhieb, wie ich etwas akustisch darstelle. Dafür nehme ich mir Zeit, lasse mich inspirieren und besuche oft ähnliche Locations. Spielt eine Szene beispielsweise in einer Tiefgarage, begebe ich mich vor Ort, beobachte und lausche: Welche Stimmen sind zu hören, wie oft öffnen sich Türen, das Quietschen von Autoreifen … alles, was man im normalen Leben bewusst aber auch unbewusst wahrnimmt.“ Besonders wichtig ist ihm eine realistische Umsetzung. „Nehmen wir an, ein Mann nähert sich aus zehn Metern Entfernung, dann kann ich ihn nicht nur drei Schritte gehen lassen. Auf solche Dinge muss man achten.“ Einige Sounds und Geräusche kauft Mario aber auch ein, „doch es gibt bei weitem nicht alles“. Das bedeutet man muss selbst kreativ werden. Der Sulzbach-Rosenberger erinnert sich: „Für ein Hörspiel haben wir kreischende Pilze gebraucht. Wir haben Ofenkartoffeln in den Ofen gesteckt und als sie heiß wurden, haben sie geschrien. Das perfekte Geräusch!“ Und das Schlagen der Tentakel eines Tintenfischwesens? Vermutlich hätte dahinter keiner einen Putzhandschuh in einer Badewanne vermutet, „doch es hat funktioniert“.

Sind Texte und Audiokulisse im Kasten, setzt sich Mario an die sogenannte Postproduktion, die Nachbearbeitung. Wie lange der ganze Prozess dauert ist schwer zu sagen, erklärt der Verleger. „Vor kurzem habe ich sieben Stunden an einem zehn Sekunden Stück für das kommende Hörspiel ‚Caprimulgus‘ gearbeitet. Die Szene: Ein Mann hantiert mit einem alten Mikroskop. Ich wollte, dass es perfekt wird – das hat gedauert. Bei einem Hörbuch hingegen kann man pro gehörter Stunde etwa mit der dreifachen Bearbeitungszeit rechnen. Man braucht Geduld aber ist jedes Mal ein tolles Gefühl, wenn wieder etwas fertig ist.“

Neue Horizonte

Mario Weiß lebt seine Faszination für Horror, Science-Fiction und Fantasy. Diese möchte er auch an die Menschen weitergeben. „Sie sollen sich gut unterhalten fühlen und gleichzeitig ihren Horizont erweitern können. Natürlich hoffe ich auch, dass sie sich beim Hören so richtig gruseln“, sagt er und grinst. Seit die Vertonungen bei Audible und BookBeat erhältlich sind, erfährt er auch, wie die Veröffentlichungen ankommen. „Wenn jemand in einer Rezension schreibt, dass er begeistert ist und mehr will, ist das natürlich sehr motivierend. Man hört so oft, dass man in eine Großstadt ziehen muss, um etwas zu bewegen, aber wenn man eine Vision hat, kann man sich überall verwirklichen. Regionale Grenzen spielen dabei keine Rolle, denn es geht um die Sache an sich. Dank Internet und moderner Kommunikationsmittel konnte ich über die Jahre ein gutes Netzwerk aufbauen. Ich arbeite täglich mit vielen tollen Menschen zusammen ohne deren Hilfe das Ganze unmöglich umsetzbar wäre. Die Liste wäre zu lang aber in der besonderen Gunst des König in Gelb stehen die Sprecherin und Autorin Birgit Arnold, Sascha Schiemann, Sprecher Vincent Fallow sowie Michael Prechtl, Sebastian Quadflieg, Übersetzer Kristof Kurz und nicht zu vergessen mein Cousin Marco Räder-Rubenbauer. Ohne sie und viele weitere wäre alles nichts.

Ausgleich in der Musik

Akustik spielt für Mario auch noch eine zweite bedeutende Rolle. Er ist unter anderem Schlagzeuger der international erfolgreichen Heavy-Metal-Band Atlantean Kodex. „Musik ist für mich ein Ausgleich. Wir sind nicht nur ein Bandgefüge, sondern auch Freunde. Ich genieße das Gefühl, wenn wir spielen und uns austauschen. Auch bei der Musik mag ich es, gute Unterhaltung zu bieten. Es ist manchmal immer noch unwirklich, vor tausenden von Menschen zu spielen.“ Auch in den Texten der Band ist Mystik zu finden. Inspirationen findet Gitarrist Prof. Dr. Manuel Trummer in der alteuropäischen Mythologie, bei Schriftstellern wie H. P. Lovecraft und Robert E. Howard sowie auch in der bayerischen und oberpfälzischen Kultur und Sagenlandschaft. „Wir haben bisher drei Alben veröffentlicht und spielen in der Regel zehn bis zwölf Auftritte pro Jahr“, erzählt Mario. Musikalisch machen Atlantean Kodex 2024 eine Pause, doch vor „Yellow King Productions“ liegen große Projekte – unter anderem die Fantasy-Hörbuchreihe „Black Witch“ und die digitale Veröffentlichung der brandneuen Heavy-Metal-Hörspielserie L.B. Steel, an der bekannte Stimmen und Musiker beteiligt sind.

Auch in den kommenden Jahren wird es viel Stoff zum Gruseln aus Illschwang geben. Wie man ihn am besten genießen sollte? Wer könnte es besser wissen als Horror-Experte Mario: „Kopfhörer aufsetzen, das Licht ausmachen und den Schrecken richtig erleben. ̦Siehst
Du das Gelbe Zeichen?̒ “

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