Kaplan Marvin Schwedler über das Zölibat, Kritik an der Kirche und seinen Job als Priester | Amberg24

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17.01.2025
Marvin versucht Kirche für alle Generationen zu gestalten.  (Bild: ama)
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Marvin versucht Kirche für alle Generationen zu gestalten. (Bild: ama)

Kaplan Marvin Schwedler über das Zölibat, Kritik an der Kirche und seinen Job als Priester

Warum entschließt sich ein junger Mensch, Pfarrer zu werden? Wie lebt er enthaltsam und was macht eine moderne Kirche aus. Kaplan Marvin Schwedler von der Pfarrgemeinde Hl. Dreifaltigkeit Amberg gibt Antworten.

Die Ministranten der Gemeinde Paulsdorf zeigen aktuell auf Instagram, dass Kirche auch Spaß machen kann. Mit ihren Videos zum „Outfit-Check” und „so heißt das bei uns am Dorf” machten sie mehr als zwei Millionen Klicks. Ab und an huscht auch ein junger Priester durch das Video. Kaplan Marvin Schwedler unterstützt das Team bei der Umsetzung. Der 30-Jährige ist in der Gemeinde Paulsdorf unter anderem für die Gottesdienste zuständig, seit September 2024 Teil der Pfarrgemeinde Hl. Dreifaltigkeit Amberg – und im Landkreis Amberg-Sulzbach vermutlich einer der jüngsten und modernsten Geistlichen.

Während die Deutsche Bischofskonferenz rückläufige Zahlen meldet und viele Menschen die Kirche höchstens an Weihnachten besuchen, beschließt Marvin im Jahr 2017 Theologie (Die Lehre von Gott) zu studieren. Zwei Jahre später tritt er dem Priesterseminar bei und beginnt mit 24 die Ausbildung zum Geistlichen. „Die Überlegung, ob ich Pfarrer werden will, war noch nicht sofort da”, erklärt Marvin im Interview. In seinem Heimatdorf im Sauerland war er als Ministrant, Mesner und Orgelspieler bereits in der Kirche aktiv, deshalb fragte ihn sein alter Pfarrer, ob er sich vorstellen könne, diesen Beruf zu ergreifen.

Die Entscheidung, sein Leben der Kirche zu widmen, fiel dem 30-Jährigen aber nicht immer leicht. „Ich habe überlegt und das Thema immer weggestoßen. Dann hatte ich einige Jahre eine Freundin”, sagt er und fügt an, dass „alles ganz normal war”. Nach seiner Ausbildung zum Heizungsinstallateur und der Trennung von seiner Partnerin fasst er den Entschluss: „Jetzt probierst du's und dann siehst du mal, ob es was für dich ist.”

Leben im Zölibat: Warum Marvin die Entscheidung mit Überzeugung trägt

Freunde und Familie verwundert diese Entscheidung nicht, da Marvin in der Kirche schon immer sehr beheimatet war. Das Thema Zölibat sei seiner Meinung nach aber ein Hauptthema, das viele Personen nicht nachvollziehen könnten. In der heutigen Gesellschaft drehe sich vieles um das Thema Sex, wer darauf verzichtet, sei laut Marvin in den Augen vieler Menschen „schwul oder habe ein Problem.”

Bis zu einem bestimmten Grad kann er die Kritik der Gesellschaft an dieser Lebensform nachvollziehen. „Natürlich ist es schwierig. Ich habe keine Freundin, ich wohne alleine. Es wäre schon gut, wenn manchmal jemand da wäre. Keiner sagt, dass das Zölibat leicht ist”, sagt der 30-Jährige offen. Die Entscheidung zur Enthaltsamkeit versteht er aus theologischer Sicht. „Weil wir glauben, dass Jesus selbst auch so gelebt hat. Ein Punkt, bei dem ich mitgehe”, erklärt er. Zudem sollte sich ein Geistlicher zu 100 Prozent der Kirchengemeinde und dem Dienst der Kirche widmen.

Zwischen Kritik und Fortschritt: Missbrauchsskandale und Jugendschutz

Kirchenkritiker*innen und auch die sinkenden Mitgliedszahlen in der heutigen Gesellschaft könne er verstehen. Besonders der Missbrauchsskandal und die mangelnde Aufarbeitung der Fälle haben der Kirche geschadet. Er selbst ist noch immer schockiert, wie mit Betroffenen und deren Situation umgegangen wurde: „Man kann schon sagen, dass die Kirche das kriminell vertuscht hat.”

Der Jugendschutz in der katholischen Kirche sei laut Marvin besser geworden. Heutzutage gibt es ein Schutzkonzept und Präventionsschulungen. „Ich würde wirklich behaupten, die Kinder- und Jugendarbeit hier im Bistum ist eine der sichersten geworden”, erklärt er.

Wie Marvin Kirche attraktiv macht

Spricht der 30-Jährige über seinen Job, wirkt er happy, obwohl dieser mehr ist als eine einfache 40-Stunden-Woche. „Die Sitzungen, die bis abends 22 Uhr andauern, rauben natürlich Kräfte. Es ist schon viel”, erklärt er. Seine Arbeit umfasst Messen, Beerdigungen, Hochzeiten und die Betreuung der Jugendgruppen. Die Arbeit als Priester und Seelsorger findet er „spannend” und „sinnerfüllend”. Er will eine „moderne Kirche” anbieten und „diesen Muff aus der Kirche herausnehmen”.

Auch deshalb pflegt er innerhalb der Gemeinde eine Willkommenskultur. „Wir sind eine Kirche, die für alle offen ist. Für Schwule, für Lesben, für reiche Menschen, für die Armen”, erklärt er. Auch zu politischen Themen ist die Haltung deutlich. Solange die christlichen Werte mit denen der Parteien vereinbar sind, habe er kein Problem damit. „Bei der AfD ist klar, dass das nicht so ist. Das hat die Bischofskonferenz vergangenes Jahr einstimmig beschlossen.”

Für seinen Beruf hat Marvin klare Vorstellungen: „Mein Ziel ist es, die Kirche für Menschen interessant zu machen. Für junge Menschen, aber auch für Menschen, die sagen, sie waren zehn Jahre nicht in der Kirche und konnten etwas mitnehmen,” In der Gemeinde schafft er deshalb verschiedene Angebote. Einerseits gibt es ein Social-Media-Team, das sich dem Auftritt in den sozialen Medien widmet und jüngere Themen und Trends bedient. Andererseits schreibt er die Spiritualität der Kirche hoch und versucht in einem Gottesdienst am Montagabend ganz ohne Musik eine meditative Stimmung zu schaffen. Gemäß dem Motto „Raus aus diesem schnellen und lauten Alltag” wurde der Gottesdienst auch gut angenommen. Das Thema Kirche will er für alle Generationen attraktiv gestalten, vieles ausprobieren und den Menschen Werte und neue Perspektiven mitgeben.

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