Wenn die Bären steppen: Auf einer Furry-Convention in Nürnberg | Amberg24

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Viele der Furries kennen sich von online und treffen sich nur ein paar Mal im Jahr. (Bild: knz)
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Viele der Furries kennen sich von online und treffen sich nur ein paar Mal im Jahr. (Bild: knz)

Wenn die Bären steppen: Auf einer Furry-Convention in Nürnberg

Zum Bavarian Fur Dance treffen sich regelmäßig Hunderte Furries aus ganz Deutschland in Nürnberg. Organisiert wird die Convention vom Weidener Verein Bayern-Furs. Das steckt hinter der Party und unter den Fellkostümen.

Die Sonne brennt auf den Innenhof des Z-Bau in Nürnberg und die Nacken der herumwuselnden Leute in grauen Poloshirts. Aufschrift: Bayern-Furs. Nicht lange, dann werden knapp 500 Besucher ankommen. In Hawaiihemden, passend zum Motto. Mit Kisten und Koffern, in die ein mittelgroßer Husky bequem reinpassen würde.

Das Wetter ist Hawaii-warm. Und für einige wird es noch ein Stück wärmer. Denn in den Kisten und Koffern verstecken sich Ganzkörper-Fellanzüge, inklusive Pfoten und überlebensgroße Tierköpfe. In denen verschwinden die Köpfe der Furries und nehmen damit ihr wahres Aussehen an.

Und dann steppen an diesem Juniabend die Bären. Und Kätzchen und Papageien, Hunde, eine Echse, ein Fuchs, der mit dem Wolf tanzt. Eine Referenz aus der Jugend einiger der Furries – die Altersspanne der Community ist groß. Und sie ist divers. Manager, Studenten, ein Haufen ITler, viele aus dem sozialen Bereich.

Überwiegend Männer, wenige Frauen, eine Handvoll dazwischen und außerhalb. Es gibt eine große Überschneidung mit der LGBTQIA+-Community. Gemeinsam haben sie vor allem eins: Sie verkörpern anthropomorphe, also vermenschlichte, Tiere.

Furries vereint und organisiert

Bayern-Furs ist ihr Verein mit Hauptsitz in Weiden. Er organisiert regelmäßig Events, auf denen sich die Furry-Gemeinschaft der Region und aus dem ganzen deutschsprachigen Raum trifft. Unter anderem den Bavarian Fur Dance an diesem Abend, BFD, der 14. bisher.

Vorsitzender Christoph Hößl ist gebürtiger Neustädter und nennt Weiden die Base des Vereins: „Von da aus operieren wir.” Seine Anfänge nahm der Verein mit der Idee, selbst mal ein Event für das Furry-Fandom zu schmeißen. „Damals war das noch komplett privat organisiert.”

Weil der BFD aber immer besser angenommen wurde, wurde auch die Organisation immer professioneller. Offiziell eingetragen ist Bayern-Furs seit 2017, seit ganz kurzem ist der Verein auch gemeinnützig. Stand Juni hat er 77 Mitglieder. „Aus dieser Mitte heraus bildet sich der Staff”, sagt Christoph.

Der Staff deckt alles ab, vom Catering über die Sanitäter bis zur professionellen Licht- und Bühnentechnik und zu den DJs, die sich um die Stimmung kümmern. „Und alle machen das ehrenamtlich.” Praktisch, dass die Community aus Leuten aus allen möglichen Bereichen und mit allen möglichen Expertisen besteht.

Sie organisiert sich vor allem online, auf Foren oder Discord. Dadurch sind solche Veranstaltungen wie der BFD für sie so besonders. Hier treffen sich Freunde, die über das Internet Kontakt halten und sich nur ein paar Mal im Jahr sehen.

Trinken, plaudern, gruppenkuscheln

Deshalb ist die Tanzfläche noch fast leer, als der erste DJ gegen 18.30 Uhr sein Set im großen Saal auflegt. Man feiert hier zu EDM aller Art. Die meisten Teilnehmer tummeln sich aber gerade lieber im sonnigen Innenhof. Plaudern mit Freunden, gelegentliches Gruppenkuscheln.

Auf grün-weißen Plastikklappstühlen sitzen sie in Grüppchen zusammen und trinken Bier. In Mensch- oder Tierform. Oder beidem, manche haben ihre Köpfe abgenommen, weil es so warm ist. Das wird eigentlich nicht gern gesehen, erklärt einer der Furries, Simon. Genauso wenig wie „Poodling”, wenn man Haut sieht. Das stört die Illusion.

Simon heißt er im echten Leben. Seine Fursona, sein Alter Ego, heißt Abby the Griffin. Ein Greif, weiß, wie Simons hellblonder Buzzcut. Er trägt eine Zeichnung davon am Schlüsselband um seinen Hals. Neben seinem Teilnehmerausweis, ausgestellt auf Abby the Griffin. Ansonsten ist er in „zivil”. Denn bei weitem nicht jeder Furry hat einen Fursuit, also einen Fellanzug. Die sind nämlich teuer. „7000 bis 8000 Euro kann das schon mal kosten”, sagt Simon.

Offen und herzlich

Am Nebentisch wird es plötzlich laut, Geheule. „Ein Rudel Wölfe”, kommentiert Simon und grinst. Er ist 28 und seit 2011 im Fandom aktiv. „Ich hab das damals in einem Facebook-Post gesehen. Zuerst dachte ich, das ist ein Einzelfall, aber dann habe ich gesehen, das ist eine ganze Community.”

Für ihn hat es gepasst „wie Arsch auf Eimer. Hier fühl ich mich einfach wohl”. Es sei extrem einfach, Freunde zu finden. „Viele sind sozial vielleicht nicht ganz auf der Höhe. Das hat man gemeinsam.” Simon schätzt vor allem, dass hier jeder sein kann, wie er ist.

Das bestätigt auch Christoph: „Dieses Offene, dieses Herzliche, ich denke, das macht es schon aus.” Für viele ist das Fandom wie eine zweite Familie, ein Ort, wo sie Akzeptanz und Unterstützung finden. Hier sind alle willkommen, egal, welcher Job, wie man aussieht, welche Orientierung, welche Geschlechtsidentität man hat.

Aus Vorurteilen wird Hass

Eine Familie, die sich aber oft gegen schlimme Vorurteile wehren muss. Wie Simon sagt, wird Mitgliedern der Furry-Community zum Beispiel Grooming vorgeworfen, dass sie Minderjährige zu Missbrauchszwecken anlocken würden. Ja, so etwas kommt vor. Aber: „Arschlöcher gibt es überall.” Die Leute sind bekannt und werden dementsprechend aussortiert. Dass sie die ganze Community in ein negatives Licht rücken, ärgert Simon.

Auch das Klischee, dass es jeder „mit Tieren tut” oder sie quält. Denn aus Vorurteilen kann Hass werden. „Ich bin vorsichtig in der Öffentlichkeit”, gibt er zu. Zu viele Posts hat er gelesen, die zu Gewalt aufrufen. Dabei ist das Fandom eigentlich ein friedliches Grüppchen. „Es ist eine Schutzzone”, findet Simon. Da stimmt auch Christoph zu: „Der soziale Zusammenhalt ist hier deutlich höher als bei vielen Gruppen.”

Kink oder nicht?

Und dann ist da noch diese eine Frage, die alle Furries früher oder später zu hören bekommen: Ist das nicht eigentlich ein Kink? Die Antwort darauf ist, wie bei vielem: Kommt drauf an. Es gibt Furries, die auch die sexuelle Komponente ausleben, auf einem Spektrum bis zu sehr expliziten Kostümen und Masken. „Man macht leicht die Verbindung mit dem Sexuellen”, findet Simon, „aber das ist nicht der Hauptteil von dem, was das Fandom ausmacht.”

Bei den Veranstaltungen von Bayern-Furs gibt es extra Regeln, damit alles clean bleibt. „Wir sind ein gemeinnütziger Verein, da haben wir eine Vorbildfunktion”, stellt Christoph klar. Deshalb sieht man an diesem Abend eigentlich niemanden, der Fetisch-Kleidung trägt. Und was auf den Hotelzimmern passiert, ist Privatsache. „So ein Event ist, was man daraus macht. Wie bei allen normalen Partys halt auch”, erklärt Christoph.

Apropos Party: Die geht drinnen erst so richtig los. In der Location sind an diesem Abend noch ein Metal-Konzert und ein R’n’B-Event. Von ein paar fragenden Blicken abgesehen koexistieren die verschiedenen Gruppen friedlich. Und so feiern sich die Furries in Rage, beleuchtet vom Laserlicht, und lassen sich Luft aus riesigen Ventilatoren bis spät in die Nacht durch das Fell wehen.

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