Es ist Woche der seelischen Gesundheit. Deshalb machen die Fachambulanz für Suchtprobleme und der sozialpsychiatrische Dienst Amberg auf eine Thematik aufmerksam, die mehr Leute betrifft als man denkt: Die Doppeldiagnose Sucht und Psychose.
Es rumort in deinem Bauch. Vielleicht sitzt etwas quer, denkst du. Nichts Ungewöhnliches, nur etwas unangenehm. Schon hundert Mal passiert, jedem. Aber dieses Mal ist es irgendwie anders. Dieses Mal bewegt sich etwas. Du kannst es genau spüren, wie sich etwas langes, glattes durch deine Eingeweide schlängelt. Wie es wächst und wächst.
Dein Arzt sagt dir, da ist nichts. Kann gar nicht sein. Auch auf den Ultraschallbildern war nichts zu sehen. Aber du weißt es ganz sicher, sie ist da. Du spürst sie Tag und Nacht. Und was, wenn sie zu groß wird?
So oder so ähnlich kann sich eine sich anbahnende Psychose anfühlen. Benjamin Treffert, der Leiter der Fachambulanz für Suchtprobleme der Caritas Amberg, macht in der Woche der seelischen Gesundheit vom 14. bis 18. Oktober darauf aufmerksam, wie Drogenkonsum und Psychosen zusammenhängen.
Betroffen könne jeder sein, ist sich Treffert sicher. Etwa ein Prozent der Weltbevölkerung hat die genetische Veranlagung dazu. In Amberg sind es etwa ein bis zwei Personen jährlich. „Sie können beim Hiltner hinterm Tresen stehen oder Ingenieur bei Grammer sein. Sie sind abends mal unterwegs, schnupfen vielleicht ein bisschen was. Und plötzlich merken sie eine Veränderung im Denken.”
Psychosen sind sehr individuell, es gibt nicht „die” Psychose. „Eine Psychose ist ein Symptomkomplex”, sagt Treffert. Sie äußern sich aber oft auf zwei Weisen, in formalen und inhaltlichen Denkstörungen. „Formal bedeutet, dass der Sprachfluss gestört ist. Das kann zum Beispiel sein, dass man immer wieder an einem Punkt hängen bleibt oder Dinge extrem umständlich erklärt”, erklärt er.
Inhaltliche Denkstörungen sind Wahnvorstellungen und eine verzogene Realität. „Also, ich werde verfolgt, eine Schlange lebt in meinem Bauch, es kommen Strahlen aus der Steckdose.” Stimmen im Kopf beschimpfen einen oder man denkt, wenn man das Wasser anmacht, man könnte damit verschmelzen. Treffert erzählt von einem Mann, der überzeugt davon war, Käfer unter der Haut zu haben und sich schließlich selbst verletzte, damit sie nicht sein Gehirn erreichen.
Als Außenstehender könne man oft nicht nachvollziehen, was im Kopf eines psychotischen Menschen vorgeht. Betroffene haben ihre eigene Logik und lassen sich von kaum etwas überzeugen. Das macht es so schwer, an sie heranzukommen. Selbst Fachleute können sie oft schwierig greifen, weil das Denken so verschoben ist. Eigentlich wirken Medikamente sehr gut, die Patienten haben aber oft Angst, dass man sie damit vergiften will und verweigern sie.
Auslöser einer psychotischen Episode kann – neben Stress und anderem – Drogenkonsum sein. Treffert zählt auf: Halluzinogene Drogen, zum Beispiel LSD, synthetische Cannabinoide, Kokain, Crystal, Amphetamin. Und: „Was viele nicht wissen, auch Alkohol kann eine Psychose auslösen.” Langfristig Alkoholabhängige verfielen oft einem Eifersuchtswahn.
Treffert warnt, Drogen können bestehende Psychosen außerdem schlimmer machen. „Oft sind es junge Patienten, die merken, da stimmt etwas nicht mit dem Denken, vielleicht haben sie Verfolgungswahn. Dann versuchen sie, mit Cannabis selbst zu medizinieren, verstärken die Probleme aber stattdessen noch.”
Starke Psychosen sind manchmal sogar sichtbar. Treffert gibt als Beispiel Menschen, die auf dem Marktplatz mit sich selbst reden oder anfangen zu schreien. Das stigmatisiert. Und nicht nur die Betroffenen. Auch Angehörige müssen damit klarkommen. Hat man das Kind nicht richtig erzogen oder irgendwie Schuld an der Krankheit?
Das Stigma ist das eine, der Umgang mit der Krankheit das andere. Angehörige merken meist leichter als die Betroffenen, dass etwas nicht stimmt. Für die Betroffenen sind die Wahnvorstellungen real und für sie absolut logisch. Wer dagegen spricht, steckt mitunter der Decke.
Das hat großes Konfliktpotenzial, auch wenn man eigentlich helfen möchte. „Die Angehörigen leiden oft am meisten drunter”, sagt Treffert. Was viele nicht wissen: Die Fachambulanz und auch der benachbarte sozialpsychiatrische Dienst kümmert sich auch um sie.
Zum Thema Drogenkonsum und Psychose präsentieren die Fachambulanz für Suchtprobleme und der sozialpsychiatrische Dienst bei der Veranstaltungsreihe Kino und Vino im Zentral am Mittwoch, 16. Oktober, den Film „Das weiße Rauschen”. Darin geht es um einen 21-Jährigen, der nach einem Drogentrip eine paranoide Schizophrenie entwickelt.