Was ist eigentlich diese „Kirwa”? Der ultimative Guide | Amberg24

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17.04.2024
Wer hod Kirwa? Wir schon auch. (Archivbild: tra)
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Wer hod Kirwa? Wir schon auch. (Archivbild: tra)

Was ist eigentlich diese „Kirwa”? Der ultimative Guide

Kirwa hier, Kirwa da – was ist das eigentlich? Wir erklären euch, woher die Tradition kommt und was ihr zu erwarten habt, wenn ihr selbst mitmachen dürft. Alle Angaben sind ohne Gewähr, schließlich feiert jeder ein bisschen anders.

Was ist eine Kirwa?

Der Name Kirwa kommt von der Kirchweih. Und die wird eigentlich gefeiert, wenn es heißt, „Mir ham Kirwa!” In der ganzen Oberpfalz, aber insbesondere im Landkreis Amberg-Sulzbach ist die Dorfkirchweih DAS Fest im Jahr. Traditionell ist Kirwa am Sonntag vor oder nach dem Tag, an dem die Dorfkirche oder -kapelle ihr Patrozinium hatte. Diese Praxis geht ins Mittelalter zurück, eines der ersten datierten Kirchweihfeste in der Region fand 1220 in Süß bei Hahnbach statt.

Weil den Obrigkeiten irgendwann nicht mehr gefallen hat, dass jedes Dorf nicht nur seine eigene Kirwa exzessiv gefeiert hat, sondern auch die der Nachbargemeinden, legte im Jahr 1866 König Ludwig II. (der legendäre Märchenkönig) alle Kirchweihen an einem Termin zusammen, und zwar am dritten Sonntag im Oktober. So ist der Begriff „Allerweltskirchweih” entstanden. Das hat fast überall funktioniert, nur in der Oberpfalz irgendwie nicht so. Noch heute gibt es im Landkreis Amberg-Sulzbach über 120 Kirwan (Kirwan bedeutet die Mehrzahl von Kirwa). Im Landkreis Neustadt/WN und im Landkreis Schwandorf sind es nicht ganz so viele.

Wie wird gefeiert?

Die traditionellen Kirwan in der Region gehen normalerweise von Freitag bis Montag – für die Öffentlichkeit. Für die Kirwaboum und -moidla kann die intensive Phase auch schon mal ein, zwei Wochen dauern. Da sind die vielen Vorbereitungen, Events und Tanzproben noch nicht eingerechnet.

Jeder Ort, jede Gemeinschaft, hat ihre eigenen Traditionen und Bräuche. Das sind die gebräuchlichsten:

In der Woche vor der Kirwa

Bevor die Kirwa losgeht, stehen die verschiedensten Vorbereitungen auf dem Programm. Zuständig sind da die Kirwaleute, oft auch der zugehörige Kirwaverein oder andere Vereine, die als Veranstalter auftreten: Sportvereine, Feuerwehr oder der Kirwawirt. Dazu kommen noch die ganzen ehrenamtlichen Helfer, die dazu beitragen, dass das Fest schön wird.

Zu den Aufgaben gehört: Ein passender Kirwabaum muss ausgesucht, dann gefällt werden und von da an rund um die Uhr vor anderen, diebischen Kirwaleuten bewacht werden. Die Tänze zum Austanzen müssen – mehr oder weniger panisch – noch einmal durchgetanzt werden. Die Lieder durchgesungen. In manchen Orten wird die Kirwa „ausgegraben”: das heißt, ein im Jahr zuvor feierlich begrabenes Relikt (das kann ein Fass Bier, eine Flasche Schnaps oder etwas anderes sein wird mit einer Zeremonie wieder ans Tageslicht geholt). Das Zelt oder der Stodl muss aufgebaut, bebankt und geschmückt werden. Bier und Bratwürste und so weiter müssen bestellt werden. Kränze für den Kirwabaum müssen gebunden werden – und dafür das Reisig gesammelt. Auf manchen Kirwan fängt der Festbetrieb auch schon am Freitag an, etwa mit einer Rocknacht oder anderen Events für die Jugend.

Am Kirwasamstag

Jetzt geht es langsam richtig los. Die Kirwaboum stellen – möglichst ohne maschinelle Hilfe – den Kirwabaum auf. Zuerst werden Kränze drangebunden und die Rinde schön geschnitzt, dann geht es los. Mithilfe von sogenannten Schwalben oder Goißn, zwei langen Stöcken, die fast am Ende mit einem Seil verbunden sind, stemmen die Kirwaboum mit ein paar starken Helfern den tonnenschweren Baum in eine senkrechte Position. Das ist verdammt anstrengend, weil so ein Kirwabaum kann schon mal 30 Meter oder mehr lang sein.

Die Kirwamoidla haben währenddessen Anwesenheitspflicht. Irgendwer muss ja danebenstehen, hübsch aussehen und die Boum anfeuern. Wer möchte, kann mit hinlangen – aber mit einem Bier in der Hand schaut es sich auch ganz gut zu. (Niemand hat gesagt, dass die Kirwa ein feministischer Kampftag ist)

Wenn der Baum dann endlich steht, kann der Abend beginnen. Der Samstag ist der Haupt-Feiertag der Kirwa. Hier spielt oft die beste Band, die in der Gegend zu kriegen war, die Bar öffnet und die Kirwaleit und die Gäste bringen das Zelt zum Wackeln. Der Abend kann schon mal zu einem Morgen werden, aber, Achtung, noch nicht alle Kräfte verschwenden!

Am Kirwasonntag

Denn am Kirwasonntag ist schon wieder Anwesenheitspflicht für alle Kirwaboum und -moidla. Und zwar beim Gottesdienst. Schließlich geht es bei einer Kirwa grundsätzlich um die Dorfgemeinschaft, die traditionell sonntags zum Gottesdienst zusammenkommt. So mancher hat vielleicht noch nicht allzu viel geschlafen, wenn der Pfarrer zum Beten ruft, und das sieht man ihnen auch an. Aber ein bisschen Ernsthaftigkeit muss auch mal sein. Die älteren Dorfbewohner, die ganzen Verwandten und angereisten Freunde wissen diese Stunde der Besinnung zu schätzen. Danach folgt sowieso der Frühschoppen.

Der Nachmittag beginnt oft nach einem kurzen Mittagsschläfchen. Einige Gemeinden treffen sich zum Kaffeetrinken – Boum und Moidla bisweilen getrennt –, in anderen verstecken sich die Moidla und lassen sich von den Boum suchen. Wichtig ist nur, dass sie sich am Nachmittag alle top gestylt in ihrer schönsten Sonntagstracht, mit geschmückten Bierkrügen und bereit zum Austanzen um den Kirwabaum versammeln. Dazu holen die Boum die Moidla in einigen Orten in einem Kirwawagen ab. Das kann ein Pferdegespann sein oder ein Viehwagen, solange alle Platz haben und sich schon mal einsingen können.

Um den Baum herum wartet das Publikum, gespannt darauf, wer das nächste Oberkirwapaar wird. Denn das wird sich innerhalb der nächsten Stunde herausstellen. Eine traditionelle Musikkapelle spielt auf. Beim Austanzen tanzen die Kirwapaare ihre erlernten Tänze – Walzer, Bairischer, Sternpolka – um den Baum herum. Gesungen werden traditionelle Lieder, der eine oder andere Trinkspruch ist zu hören. Mitmachen darf, wer über 16 oder 18 ist und aus dem Dorf stammt oder zumindest mit jemandem tanzt, der aus dem Dorf stammt.

Während des Austanzens wird mindestens ein Blumenstrauß im Kreis weitergegeben, manchmal auch mehrere und nur einer hat eine Markierung. Am Baum hängt ein Wecker, der auf eine geheime Zeit eingestellt ist. Wer den richtigen Blumenstrauß in der Hand hat, wenn der Wecker klingelt, ist Oberkirwapaar. Das kann schon mal eine stressige Angelegenheit werden, manch eine will den Blumenstrauß nämlich gar nicht annehmen oder gleich wieder loswerden. Das glückliche Oberkirwapaar wird gekrönt und tanzt einen Ehrenwalzer. Und dann geht's zurück ins Zelt, auf den Kirwatisch oder direkt in die Bar. Das ist aber nicht überall so. In manchen Dörfern steht das Aussingen im Mittelpunkt: Da werden bis zu 30 oder 40 gereimte Vier- oder Achtzeiler gesungen, die Ereignisse aus dem Dorfleben humoristisch nacherzählen.

Am Kirwamontag

In einigen Kirwagemeinden beginnt der Kirwamontag mit einem gemeinsamen Frühstück – Unterlage schaffen. Schließlich muss ja noch der Kirwabär durchs Dorf getrieben werden. Beim Kirwabärtreiben handelt es sich um einen Heischebrauch. Das hießt: Die Kirwagesellschaft zieht von Haus zu Haus und sammelt ein, was von der Kirchweih übrig ist: Essen, Trinken und auch Geld. Der Kirwabär wird entweder ausgelost, bestimmt oder stellt sich im Lauf des Tages heraus. Er muss den Kirwamontag in einem Bärenkostüm verbringen. Oft ist er im Gesicht schwarz angemalt und schwärzt mit Ruß alle, die er erwischt. Hinterher laufen die Kirwaleute, oft begleitet von Musikanten und Bollerwagen. Meistens wissen die auch, wo sie klingeln können, um ein Schnapsl oder ein Küchl zu bekommen. Abends versteigern viele Gemeinden den Kirwabaum und andere Preise. Der neue Besitzer des Kirwabaums hat dann Brennholz für den Winter, aber auch dafür zu sorgen, dass die Kirwaboum beim Fällen des Kirwabaums mit einer Brotzeit gut versorgt sind. Der Kirwamontag klingt meistens relativ ruhig aus, weil es dann doch aufs Ende der Energie der Kirwaleute zugeht.

In der Woche nach der Kirwa

So wie sie aufgebaut wurde, so muss die Kirwa wieder abgebaut werden – gemeinschaftlich. Der Kirwabaum bleibt oft noch ein paar Wochen stehen, bis sich ein Termin findet, an dem er umgelegt werden kann. Letzter Akt ist vielerorts das Eingraben der Kirwa, wobei die Kirwaleut eine Flasche Schnaps oder ein Kasten Bier beim neuen Oberkirwapaar oder an einem anderen Ort eingraben. Und dann beginnt das Warten auf die nächste Kirwa.

Klingt gut? Fragt doch bei eurem örtlichen Kirwaverein oder der Landjugend nach, wie ihr euch engagieren könnt. Wenn ihr lieber nur zu Besuch kommt, findet ihr hier alle Termine.

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