Die Hauptrolle in Aladdin, das Romeo-Cover in Romeo und Julia und jetzt ein Zauberer in Hogwarts. Edwin Parzefall ist auf den großen Musicalbühnen angekommen. Der gebürtige Eschenbacher ist Musicaldarsteller.
Musicals verzaubern Edwin Parzefall schon früh. Nach dem ersten Musicalbesuch ist er begeistert von dem, was die Darsteller auf die Bühne bringen. Die Faszination bleibt – zunächst ohne konkrete Karrierepläne. Biologiestudium lautet erst mal der Plan. Doch während eines berufsvorbereitenden Jahres mit verschiedenen Praktika wird klar: Etwas Kreatives liegt ihm mehr. Während seiner Zeit an der Weidener Fachoberschule, wo Edwin Teil einer Schauspielgruppe und Band war, springt er spontan für eine ehemalige Klassenkameradin bei einem Musicalworkshop ein – der Schlüsselmoment. Die Verantwortlichen sehen Talent und empfehlen ihm weitere Kurse – und schließlich die Ausbildung an der renommierten Stage School in Hamburg.
Dass Musical mehr ist als nur Gesang und glänzende Bühnenmomente, merkt Edwin schnell. Drei Jahre dauert die Ausbildung – und nur ein Bruchteil des Jahrgangs macht am Ende den Abschluss. „Viele haben im ersten oder zweiten Jahr aufgehört, weil sie gemerkt haben, dass es doch nicht das ist, was sie sich vorgestellt hatten. Es ist anstrengender, als man denkt.“
Tanz, Gesang, Schauspiel – auf konstant hohem Niveau. Wer in dieser Branche bestehen will, braucht vor allem eines: Leidenschaft. Und eine schnelle Auffassungsgabe. „Man lernt extrem viel in kurzer Zeit und muss bereit sein, sich ständig Neues anzueignen – und das mit vollem Einsatz.“ Selbstbewusstsein kommt mit der Zeit, wie Edwin aus eigener Erfahrung bestätigen kann, denn zu Beginn seiner Ausbildung war er eher schüchtern.
Ein Booster für Präsenz und Selbstvertrauen ist das wöchentliche Präsentieren vor der gesamten Klasse während der Ausbildung. Dazu kommen die internen Auftritte und Castings bei der Stage School, bei denen die Schüler vor echtem Publikum zeigen, was sie können. So bekommen sie früh ein Gefühl für das echte Berufsleben.
Im Sommer 2020 schließt Edwin seine Ausbildung ab – mitten in der Pandemie. Kurz zuvor nimmt er spontan an einem Vorsprechen für das Musical Aladdin in Stuttgart teil. Ohne große Erwartungen, als frischer Absolvent ohne Berufserfahrung. Und doch überzeugt er. Zur eigenen Überraschung bekommt er eine Hauptrolle – und damit den Einstieg ins professionelle Musicalleben.
Besonders prägend war für Edwin seine erste große Rolle – als Erstbesetzung des Omar, einem der besten Freunde Aladdins, und als Cover für Aladdin selbst. „Das war mein erster großer Job, mein Einstieg in die Karriere und in die Musicalwelt. Es hat mich sehr gepusht und mir gezeigt, was Musical alles kann und bedeutet“, erzählt Edwin. Herausfordernd war dabei vor allem, plötzlich die volle Aufmerksamkeit auf sich allein gerichtet zu wissen. Als bislang anstrengendste Rolle beschreibt er jedoch den Romeo – „weil sie emotional so viel von einem abverlangt“.
Auch die Zeit danach hat den Wahl-Hamburger geformt. In den letzten Wochen hat er gemerkt, wie sich seine Perspektive verändert hat: „Ich bin viel ruhiger geworden. Anfangs ist man hippelig und nervös, aber mit der Zeit, wenn man sich besser auskennt und Erfahrungen sammelt, wird man gelassener.“ Für ihn ein Zeichen dafür, dass er angekommen ist. „Ich bin auch selbstbewusster geworden, vor allem durch die Produktionen, die ich bereits gespielt habe, und durch die Kolleginnen und Kollegen, die ich kennengelernt habe.“
Der 28-Jährige weiß mittlerweile auch, welche Rollen ihm am meisten liegen: Sein Schauspieltyp sind witzige Charaktere oder Heldenrollen. Schon an der Fachoberschule in Weiden entdeckt er sein Talent für Komik. An der Stage School in Hamburg wurden ihm auch Heldenrollen ans Herz gelegt. Zuerst zögerte er, doch das positive Feedback ermutigt ihn. Sein heutiger Karriereweg zeigt: Genau in diesen Rollentypen überzeugt er immer wieder.
Aktuell steht er als Craig Bowker Junior im Harry-Potter-Theaterstück in Hamburg auf der Bühne. „Eine sehr laute Figur, die kein Blatt vor den Mund nimmt“, sagt er lachend. Das Besondere an diesem Stück für ihn? Die Spannung im Publikum. „Man hört und spürt richtig das Staunen und die Begeisterung des Publikums. Ich finde das schön, zu sehen, wie man Menschen so verzaubern kann“, erzählt er. Obwohl er die Tricks kennt, ist er selbst noch immer „überrascht und begeistert von dieser Magie“.
Für den Musicalprofi beginnt die Arbeit an einer Rolle schon vor der Audition. Er sieht sich an, wie die Figur im Stück eingebunden ist, was sie ausmacht und ob sie zu ihm passt. Dabei geht es weniger um akribische Recherche, sondern um ein Gefühl dafür, ob er sich in der Rolle wiederfindet. Deshalb bewirbt er sich auch nicht auf alles, sondern nur gezielt auf Rollen, die ihn wirklich interessieren. „Es ist wichtig, zu wissen, für welche Rolle man sich bewirbt.“
Die Vorbereitung für Craig Bowker Junior im Harry-Potter-Theaterstück fiel ihm etwas leichter, da er – wie viele andere auch – mit den Filmen und Büchern aufgewachsen ist. Natürlich hat er aber auch online getestet, welchem Harry- Potter-Haus der digitale sprechende Hut ihn zuordnen würde, gibt er lachend zu. „Es macht so viel Spaß, die magische Welt von Harry Potter näher kennenzulernen“, berichtet er mit spürbarer Begeisterung.
Die Anforderungen bei Auditions variieren: Mal sollen Songs vorbereitet werden, mal kleine Szenen oder etwas Eigenes. Oft gehört auch Tanz dazu – inklusive spontaner Choreografie, die direkt vor der Jury und Kamera präsentiert wird. Wie es nach einer Zusage weitergeht, hängt stark von der Produktion ab. Manche schicken im Vorfeld Noten- und Textmaterial, andere setzen auf die gemeinsame Erarbeitung in den Proben. Dann wird direkt am Stück, an den Figuren und deren Wirkung gefeilt.
Generell läuft ein Musicalabend überall ähnlich ab: Ankommen, gemeinsames Warm-Up, Kostüm und Soundcheck. Bei Harry Potter gibt es zusätzlich sogenannte Shownotes, bei denen bestimmte Szenen genau besprochen werden: Zählzeiten, Positionen, Geschwindigkeiten – alles für einen reibungslosen und sicheren Ablauf. Vor dem Auftritt zieht sich der gebürtige Oberpfälzer gerne nochmal zurück. „Ich bin da ein bisschen speziell“, meint Edwin schmunzelnd. „Vor jeder Show spreche ich ein paar Sätze, in denen der Buchstabe R oft vorkommt, laut durch. Ich komme ja aus Bayern, da rollt man das R, und das hört man manchmal. Also trainiere ich das nochmal.“
Was auf der Bühne oft mühelos aussieht, ist hinter den Kulissen harte Arbeit. Gerade Harry Potter ist körperlich fordernder, als man auf den ersten Blick denkt. Viel Bewegung, schnelle Szenenwechsel, Choreografien – da bleibt man nur fit, wenn man gut auf sich achtet. „Man kann nicht kalt in die Show gehen“, erklärt Edwin. „Wir springen, rennen, heben – und auch die Stimme ist ein Muskel, der aufgewärmt werden muss.“ Routine, Sport und Körpergefühl sind deshalb ein fester Bestandteil seines Alltags geworden.
Trotz all der Begeisterung für die Bühne denkt Edwin auch an später – oder zumindest an ein zweites Standbein. Momentan macht er nebenbei eine Weiterbildung im Projektmanagement. Ganz ohne Hintergedanken ist diese Entscheidung nicht gefallen. Spätestens seit der Coronazeit ist ihm bewusst, wie schnell sich alles ändern kann. „Man denkt sich: Just in case. Irgendwann kann man dem Körper tänzerisch nicht mehr so viel abverlangen – da ist es gut, eine Alternative zu haben.“
Für die Zukunft wünscht sich Edwin dauerhaft in Hamburg zu bleiben, ist aber auch offen für Auslandsproduktionen. Auch einen Rollen-Traum hat er noch: den Engineer in Miss Saigon. Gesehen in London, war es das erste Musical, bei dem er weinen musste. Die Figur fasziniert ihn: dramatisch, emotional, vielschichtig und witzig zugleich. Einmal hat er sich schon dafür beworben, damals ohne Erfolg – „aber jetzt wär ich bereit. Ich hoffe, es kommt bald wieder eine Produktion dafür“, sagt er.
Langfristig möchte er sich einen Namen in der Branche machen. Denn so ehrlich ist Edwin auch: „Wenn man einen Namen hat, wird man eher eingeladen. Viele Rollen gehen an bekannte Gesichter.“ Doch davon lässt er sich nicht entmutigen. Er will zeigen, dass er da ist – mit Talent, Engagement und vor allem Leidenschaft.