ADHS, OCD oder doch Narzisst? Wenn Mental-Health-Begriffe zum Trend werden | Amberg24

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„Das triggert mein OCD. Der ist voll der Narzisst. Sie ist toxisch. Ich bin heute depri.” Es sind Sätze, die wir ständig auf Social Media lesen, hören und selber schreiben.  (Bild: Monika Skolimowska/dpa)
„Das triggert mein OCD. Der ist voll der Narzisst. Sie ist toxisch. Ich bin heute depri.” Es sind Sätze, die wir ständig auf Social Media lesen, hören und selber schreiben. (Bild: Monika Skolimowska/dpa)
„Das triggert mein OCD. Der ist voll der Narzisst. Sie ist toxisch. Ich bin heute depri.” Es sind Sätze, die wir ständig auf Social Media lesen, hören und selber schreiben. (Bild: Monika Skolimowska/dpa)
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„Das triggert mein OCD. Der ist voll der Narzisst. Sie ist toxisch. Ich bin heute depri.” Es sind Sätze, die wir ständig auf Social Media lesen, hören und selber schreiben. (Bild: Monika Skolimowska/dpa)

ADHS, OCD oder doch Narzisst? Wenn Mental-Health-Begriffe zum Trend werden

Bestimme Mental-Health-Begriffe hören und sagen wir mittlerweile ständig. OCD (Obsessive-Compulsive Disorder), Narzisst, Trigger, toxisch. Aber sollten wir sie so leichtfertig im Alltag benutzen? Wir haben eine Expertin gefragt.

„Das triggert mein OCD. Der ist voll der Narzisst. Sie ist toxisch. Ich bin heute depri.” Es sind Sätze, die wir ständig auf Social Media lesen, hören und selber schreiben. Die medizinischen Fachwörter gehören inzwischen zu unserer Alltagssprache. Wir drücken damit aus, wie es uns geht. Ist das ein Problem?

„Ich finde es zunächst einmal wirklich toll, dass auf Social Media über viele psychische Krankheiten berichtet wird, dass Vorurteile abgebaut werden, dass man sich nicht mehr schämen muss”, sagt Lisa Forster. Sie ist psychologische Psychotherapeutin bei der medbo in Amberg. Das ist die Abkürzung für die „Medizinischen Einrichtungen des Bezirks Oberpfalz”. Auch sei Selbsthilfe-Literatur populär geworden. „Natürlich gelangen dadurch auch bestimmte Begriffe aus der Psychotherapie mehr in den Alltag.” Es gebe mehr Bewusstsein für psychische Erkrankungen. Das sei erstmal gut.

Kein Lifestyle-Label

Problematisch wird es, wenn solche Begriffe – Trauma, Trigger, OCD, Depression – leichtfertig benutzt werden. Oft aus Unwissenheit, wie ernst ein solcher psychischer Vorgang wirklich ist. „Sie werden dadurch nicht mehr so ernst genommen”, sagt Forster. Betroffene bekommen das Gefühl: Ich darf nicht sagen, dass ich depressiv bin, sonst verdreht jeder nur noch die Augen.

„Echte psychische Krankheiten werden zum Trend gemacht und bagatellisiert”, sagt Forster. Frei nach dem Motto: Heutzutage ist doch jeder depressiv. Psychische Erkrankungen sind nicht cool. „Alle meine Patienten würden ihre Erkrankungen sehr gerne abgeben, keiner behält sie freiwillig als besonderes Lifestyle-Label.”

Erscheinen manche Krankheitsbilder auf TikTok als gängig und normal, werden andere als Schimpfworte verwendet. „Die narzisstische Persönlichkeitsstörung und die Borderline Persönlichkeitsstörung kommen nicht so gut weg”, sagt Forster. Das sei problematisch. Man verschlimmere die Vorurteile. „Wenn sich eine Person egoistisch verhält, dann ist die Person egoistisch und kein Narzisst. Wenn eine Person Stimmungsschwankungen hat, dann ist sie gereizt, aber ist nicht Borderline. Das muss aber nicht gleich mit einer Ferndiagnose verknüpft sein.”

Nicht ernst genommen werden

Aber wie soll ich sonst sagen, dass es mir nicht gut geht? Forster erklärt, dass viele Menschen eine drastische Sprache nutzen, um erst ernst genommen zu werden. „Wenn ich sage, ich bin niedergeschlagen, sollte es doch von meinem sozialen Umfeld ernst genommen werden. Dann muss ich vielleicht gar nicht sagen, dass ich aktuell 'depressiv' bin. Oder wenn mich etwas nervt, muss ich nicht sagen, dass mich etwas 'triggert'.” Statt zu sagen, dass etwas traumatisch war, könne man sagen, es hat mich sehr mitgenommen.

Selbstdiagnosen als Gefahr

Eine andere Gefahr sind Tests im Internet und Selbstdiagnosen. Meistens werden Merkmale abgefragt, die auf eine sehr breite Masse an Menschen zutreffen. „Es wird nicht erfasst, wie stark der Leidensdruck ist, wie viele Einschränkungen ich dadurch habe. Ich kann ordentlich sein, ohne dass es ein Putzzwang ist.”

Statt Selbsttest: Was mache ich also, wenn ich denke, dass ich ein Narzisst bin oder ADHS, OCD, ein Trauma habe? „Der Hausarzt ist eine gute erste Ansprechperson”, sagt Forster. Der mache eine erste Einschätzung. Er kann weiter überweisen an einen Psychiater oder psychiatrische Ambulanz, wie die medbo in Amberg. Man kann auch bei Psychotherapeuten mit einer Kassenzulassung anrufen und einen Sprechstundentermin ausmachen. „Da wird geschaut: Wie kann es weitergehen?” Angst müsse man nicht haben. „Es ist erstmal ein Kennenlerntermin.” Dann schaue man gemeinsam weiter.

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