Mehr als ein Stuhlkreis: „Jung, Aktiv & Gemeinsam” ist eine Selbsthilfegruppe für junge Menschen in Amberg. Mit welchen Vorurteilen die Gruppe zu kämpfen hat und wie sie Betroffenen hilft, lest ihr hier.
Viele verbinden Selbsthilfegruppen mit einem Kreis aus gebrochenen und verzweifelten Menschen. Die Amberger Gruppe „Jung, Aktiv & Gemeinsam” (JAG) räumt mit diesen Vorurteilen auf. Seit 2023 bietet sie jungen Menschen einen Ort für Austausch und Unterstützung – und zeigt, dass Lösungsansätze auch spielerisch erarbeitet werden können.
Die 26-jährige Julia, Gründerin und Mitglied der Gruppe, kennt die Vorurteile nur zu gut. „Bei uns suhlt sich niemand in Selbstmitleid”, stellt sie klar. Stattdessen sind neben konstruktiven Gesprächsrunden Spaß, Gesellschaftsspiele, sportliche Aktivitäten oder gemeinsames Kochen fester Bestandteil der Gruppe, so der 29-jährige Chris, ebenfalls Gründungsmitglied von JAG. Auch kreative Programme, wie das Gestalten einer Collage zu Themen wie dem psychischen Wohlbefinden und mentaler Stärke gehören zum Angebot.
„Was in der Gruppe passiert, bleibt in der Gruppe”, betont Chris, ebenfalls Mitglied der Amberger Selbsthilfegruppe. Genauso wie Julia hat auch er eigene Herausforderungen, über die er offen mit den anderen spricht. Die Betroffenen haben psychische Erkrankungen aller Art. „Sie beschäftigen sich mit Themen wie fehlendem Selbstvertrauen, Antriebslosigkeit und sozialer Isolation”, ergänzt Julia.
Selbsthilfegruppen können professionelle, medizinische oder psychologische Behandlung nicht ersetzen, sie können diese aber sinnvoll ergänzen und unterstützen. „Für akute Krisen, in denen sofort gehandelt werden muss, ist eine Selbsthilfegruppe nicht geeignet”, erklärt Julia. Die Gruppe besteht aus Betroffenen und kann bei gesundheitsspezifischen Fragen nur mit einem persönlichen Rat zur Seite stehen.
Durch regelmäßige Treffen lernen die Teilnehmenden, ihre Probleme zu erkennen und besser zu bewältigen. „Es tut gut, Gleichgesinnte zu haben, mit denen ich über alles reden kann”, erzählt Benni, ein aktives Mitglied der Gruppe. Der Austausch habe ihm nicht nur geholfen, seinen Zustand zu verbessern, sondern auch eine wichtige Entscheidung zu treffen: „Durch die Gespräche konnte ich mich leichter für ein Psychologiestudium entscheiden.”
Ein anderes Mitglied berichtet, dass sich durch regelmäßige Besuche in der Gruppe ihre sozialen Ängste verringert haben und sie sich seither weniger isoliert. Dadurch wurde beispielsweise selbstständiges Einkaufen wieder möglich.
Neue Mitglieder kommen über verschiedene Wege zur Gruppe: durch Empfehlungen von Therapeut*innen, die medbo (psychiatrische Institutsambulanz) in Amberg, Instagram oder persönliche Gespräche. „Wir gehen mit einem offenen Ohr durch die Welt und merken oft, wenn jemand Unterstützung braucht”, sagt Julia.
Um langfristig finanziell besser aufgestellt zu sein, plant die JAG die Vereinsgründung. Derzeit wird die Gruppe größtenteils über Krankenkassen finanziert. „Damit können wir die Miete für unsere Räume sowie Seminare und Workshops für die Gruppe bezahlen”, erklärt Julia.
Chris wünscht sich, dass das gesellschaftliche Schubladendenken durchbrochen wird. „Gerade bei der älteren Generation gibt es noch viele Vorurteile.” Er sieht die Aufklärung an Schulen, eine bessere Versorgung mit Therapieplätzen und die Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen als wichtige Schritte für die Zukunft.