Kolumne: Abschied von einem Freund | Amberg24

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Autorin Julia Hammer betrauert in ihrer Kolumne den Verlust eines jahrelangen Freundes. (Bild: Sara Neidhardt / Grafik: Redaktion Magazine)
Autorin Julia Hammer betrauert in ihrer Kolumne den Verlust eines jahrelangen Freundes. (Bild: Sara Neidhardt / Grafik: Redaktion Magazine)
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Autorin Julia Hammer betrauert in ihrer Kolumne den Verlust eines jahrelangen Freundes. (Bild: Sara Neidhardt / Grafik: Redaktion Magazine)

Kolumne: Abschied von einem Freund

LEO-Autorin Julia Hammer nimmt in ihrer Kolumne Abschied von einem langjährigen, meist treuen Freund, der sie schlussendlich doch im Stich lies.

Lange Zeit war er meine große Liebe. Er hat mich im Winter warm gehalten, mich vor Regen und Wind beschützt. Er hat sich geduldig meinen schrecklichen Gesang angehört, ohne auch nur ein einziges Mal darüber zu jammern. Er hat sämtliche Dramen miterlebt und ist mit mir in fremde Länder gereist. Ja, er war immer da, wenn ich ihn gebraucht habe. Es waren sieben schöne Jahre. Doch jetzt war es an der Zeit, Abschied zu nehmen.

Wenn ich an ihn denke, fällt mir ein Zitat aus Kurt Tucholskys Gedicht „Aus“ ein: „Einmal müssen zwei auseinandergehn; einmal will einer den anderen nicht mehr verstehn …“ So war es bei uns wohl auch. Nach all der Harmonie ist unsere Liebe in die Jahre gekommen. Auch er. Immer öfter haben wir die Bedürfnisse des anderen ignoriert. Ich habe nicht verstanden, warum er mich zunehmend hängen lässt. In bestimmten Situationen hitzig und laut wird. Mich ausschließt. Ich denke, ihm war hingegen nicht klar, warum ich ihm einfach keine Ruhe gelassen habe. Ihm die Fürsorge nicht gegeben habe, die er gebraucht hätte. Wir haben noch etwa eineinhalb Jahre nebeneinander hergelebt, aber das Vertrauen ist zunehmend verschwunden. Ich kann nicht mehr zählen, wie oft ich wütend auf ihn war und ihn das auch habe spüren lassen. Er hat es mir zurückgezahlt, indem er regelmäßig komplett gestreikt hat. Nach mehreren mehrtägigen Auszeiten, die mich jedes Mal viel Geld gekostet haben, ist er zu mir zurückgekehrt. Natürlich hatte ich die Hoffnung, dass wir es doch schaffen werden, zumindest noch ein paar Jahre. Tief in meinem Herzen habe ich ihn schließlich immer noch geliebt.

Aus den paar Jahren wurde nichts. Dass es am Ende so schnell geht, damit habe ich nicht gerechnet. Wir waren zusammen auf der Autobahn, wollten eine gemeinsame Freundin in Regensburg besuchen. Auch sie kennen sich schon lange. Merkwürdigerweise hatte ich an diesem Tag das erste Mal seit langem ein gutes Gefühl. Keine Zweifel, ob der Ausflug eine gute Idee wäre. Wir haben uns prächtig verstanden, alles hat wunderbar funktioniert. Doch nach nur wenigen Kilometern die komplette Eskalation. Erwi, das war sein Name, wurde erst laut – und plötzlich ganz leise. Einige Meter bis zur nächsten Ausfahrt schafften wir es noch zusammen. Zumindest diesen letzten Gefallen hat er mir noch getan. Dann blieb er stehen – und ließ mich alleine in der Kälte zurück. Kapitaler Motorschaden. Damit hatte mein Mini unsere langjährige Beziehung endgültig beendet. Nachdem er abgeschleppt worden war, habe ich mir noch eine zweite Meinung geholt in der Hoffnung, ihn doch nicht gehen lassen zu müssen. Doch es war einfach nichts mehr zu machen.

Ein paar Tage stand er noch in meiner Nähe. Immer wieder habe ich mich auf seinen Fahrersitz gesetzt und versucht, ihn zu starten. Vielleicht würde er doch noch ein letztes Mal zu mir zurückkommen. Das ist er nicht. Irgendwann ist er abgeholt worden. Der Abschied von meinem geliebten Freund war nicht leicht. Wieder ist mir ein Zitat aus Tucholskys „Aus“ eingefallen. „Jeder geht seinem kleinen Schicksal zu. Leben ist Wandlung. Jedes Ich sucht ein Du.“ Welchem Schicksal Erwi entgegengegangen ist, weiß ich nicht.

Ich habe schnell gemerkt, dass ich nicht alleine bleiben kann. Also habe ich nach einem neuen Begleiter gesucht – und ihn nach zwei Wochen gefunden. Wir haben uns auf Anhieb verstanden, bauen langsam Vertrauen auf. Ob daraus die gleiche Liebe wird, wird die Zeit zeigen. Aber die Chancen dafür stehen nicht schlecht. Doch vergessen werde ich meinen alten Freund wohl nie.

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