Der längste Filmabend der Welt: Das Cineplex Amberg hat vom Sonntag auf Montag die magische Welt mit einem 24-stündigen Harry-Potter-Marathon gefeiert. Mit dabei: 89 Zauber-Fans, die fast alle die acht Filme durchgehalten haben.
Sonntag, 5. Januar, 15.45 Uhr
Vorfreude liegt in der Luft. Durchs Cineplex Amberg laufen Menschen mit dick vollgepackten Taschen, Kissen unter einem Arm und Popcorn in der anderen Hand. Einige tragen Hogwarts-Umhänge, Ravenclaw-, Hufflepuff-, Slytherin- und Gryffindor-Schals und deuten mit Zauberstäben aufeinander. Sie sind hier, um zu bleiben. Zumindest für die nächsten 24 Stunden.
Der Kinosaal 2 füllt sich zum Harry-Potter-Marathon. Er ist gut voll, nur unten dünnen sich die Reihen etwas aus. 89 Plätze sind besetzt. Von Harry-Potter-Fans, mutigen Film-Nerds und überraschend vielen jüngeren Jugendlichen mit ihren Eltern. Um kurz nach 16 Uhr beginnt der erste Film: Harry Potter und der Stein der Weisen.
18.42 Uhr
Der Abspann des ersten Teils läuft. Noch riecht es nach Popcorn und vielleicht etwas Magie. Kurze Pinkel- und Raucherpause, die Ersten holen sich schon einen kostenlosen Kaffee an der Theke. Die Stimmung ist aber weiterhin gut. Während auf der Leinwand 20 Minuten als Countdown runterlaufen, wird in den Reihen und auf den Gängen des Kino geschnattert.
Dann ist die Pause vorbei. Es werden die Schuhe wieder ausgezogen und die Kuscheldecken wieder entfaltet. Zwei Trailern für Filme, an die gerade keiner einen Gedanken verschwenden möchte, dann folgen die Zuschauer*innen Harry Potter in die Kammer des Schreckens.
21.43 Uhr
Alle Basilisken sind in die Schranken gewiesen und der Aufstieg von Lord Voldemort wurde bislang verhindert. Das schreit nach einer längeren Pause zum Abendessen. Eine Stunde haben die Fans Zeit, sich die Beine zu vertreten, ihre bestellte Pizza zu snacken und mal einen tiefen Zug frische Luft oder ein Red Bull zu holen.
Die Laune ist immer noch top. Wenn es so weitergeht, ist es richtig easy. Nur ist es zwischen Kissen und Taschen etwas eng für die Beine. „Ich dachte eigentlich, die hätten hier Liegestühle, wenn man schon 24 Stunden durchhalten muss”, klagt einer der Teilnehmer*innen. Die Kinosessel sind aber so bequem, dass kaum jemand über Rücken- oder Hinternschmerzen jammert.
22.54 Uhr
Weiter geht's. Das Publikum begleitet Harry zurück nach Hogwarts und auf die Suche nach dem Gefangenen von Askaban. Während Harrys Zauberstab auf der großen Leinwand aufleuchtet, rascheln die Chipstüten und es riecht nach Currywurst.
Einige der Anwesenden haben besonders viel Spaß und kommentieren das Geschehen im Film. „Geschieht dir recht”, etwa, als es Harrys fiese Tante Marge zu einem Ballon aufbläst.
Montag, 6. Januar, 1.08 Uhr
Wurmschwanz ist gerade entkommen und jetzt entkommt das Publikum seinen Sitzen. Vor den Toiletten im Erdgeschoss bilden sich lange Schlangen – auch, weil einige inzwischen die Zahnbürsten ausgepackt haben.
Bis auf die Zuschauer*innen des Harry-Potter-Marathons und ein, zwei Angestellten, die mit den Fans zusammen die 24 Stunden durchhalten, ist nun kein Mensch mehr im Kino. Die wenigen, die hier sind, haben sich in alle Ecken der Galerien zerstreut. Langsam sind die Gesichter auch schon etwas zerknautscht, als das Publikum mit Bechern voll Kaffee und Tee zurück in den Saal kommt, um Harry zum Trimagischen Turnier zu begleiten.
4.07 Uhr
Es wird langsam anstrengend – „und es ist erst Halbzeit”, ächzt eine Zuschauerin. Film vier von acht ist erledigt und sie werden von Teil zu Teil länger. Noch sind aber nicht viele eingeschlafen, obwohl schon mehr als 12 Stunden um sind.
Hogwarts und auch der Kinosaal 2 fühlen sich inzwischen nach Zuhause an. Allerdings geben ein paar Fans auf, packen ihre Sachen und fahren genau dahin. Die anderen allerdings strecken sich nochmal kurz und machen sich dann bereit für den fünften Teil, Harry Potter und der Orden des Phönix.
6.50 Uhr
Die Filme werden immer düsterer und die Augen immer röter. Nun ist aber Frühstückspause. Für einen kleinen Aufpreis hat das Kino ein Frühstücksbuffet vorbereitet, das sich die meisten schmecken lassen. Die anderen stehen vor dem Notausgang des Kinosaals, wo es langsam dämmert.
Während der einstündigen Pause sind auch einige derjenigen, die sich heimlich aus dem Saal geschlichen haben, wieder aufgetaucht mit neuer Energie und frischem Kaffee. Als der Gong ertönt und sich die Zuschauer*innen zum sechsten Film setzen, merkt man, dass es stiller geworden ist. Nur manche sind vom Schlafmangel oder von der Potter-Euphorie so aufgekratzt, dass sie vor sich hin scherzen und laut klatschen.
10.20 Uhr
Beim Ende von Harry Potter und der Halbblutprinz waren einige Schniefer und Schluchzer zu hören. Dementsprechend verquollen sehen die Gesichter auch aus, als sie ins Tageslicht treten. Denn plötzlich war es draußen hell geworden.
„Ich hab keinen Bock mehr”, sagt ein Zuschauer. Viele sehen ebenfalls so aus als hätten sie ihre Motivation schon vor zwei Filmen verloren. Aber hilft nichts, es wird durchgezogen. Es fehlt eh nur noch Harry Potter und die Heiligtümer des Todes, der in zwei Filme aufgeteilt ist.
13.12 Uhr
Müde ist jetzt keiner mehr, schließlich ist das Ende zum Greifen nah. Die letzte 20-Minuten-Pause fühlt sich an wie ein Durchschnaufen vor der großen Schlacht um Hogwarts. Die Fans gehen nochmal aufs Klo, machen ein Erinnerungsbild in der Fotobox und einige holen sich sogar noch eine Portion Popcorn.
Dann heißt es Endspurt! Der achte und letzte Film ist deutlich actiongeladener als der vorherige, den ein Fan als „zäh” bezeichnet hat. Doch die 24 Stunden im Kino sind in die Gesichter geschrieben. Um 15.45 ist alles vorbei. Die Zuschauer*innen packen schleunigst ihre Taschen und eilen nach draußen.
Fazit
Lohnt sich eine solche Tortur? Auf jeden Fall fühlt man die Filme noch einmal anders, wenn man sie im Kino sieht: Die große Leinwand, der Surround-Sound, der Fakt, dass man das Handy viel seltener rausholt und durch Tiktok scrollt. Wer während der letzten Teile aufgepasst und nicht geschlafen hat, versteht auch das komplizierte Ende viel besser als wenn man die Filme einzeln schaut.
Allerdings, obwohl die Zeit während der Filme wie im Besenflug vergeht, sind trotzdem 24 Stunden inklusive Pause durchzuhalten. Und das an einem Tag, nach dem die meisten wieder in die Schule oder die Arbeit müssen. Wer aber das Harry-Potter-Fandom feiert, wird auch einen Marathon der Filme feiern. Auch wenn man danach vielleicht ein paar Wochen kein Harry Potter mehr sehen kann.