Schnelle Tempowechsel, Crashs und schöne Spielzüge gehören zum Rollstuhlbasketball. Die Ambergerin Svenja Mayer ist beim RSV Bayreuth in der ersten Bundesliga aktiv. Redakteurin Alexandra Maul durfte beim Training mitmachen.
„Fühlt sich ein bisschen an wie früher im Kinderturnen”, sagt meine Kollegin Kira lachend, als sie mit ihren Socken fröhlich durch die Turnhalle der Bertolt-Brecht-Schule in Nürnberg rutscht. Ich muss grinsen, während ich die Sportler*innen des Rollstuhlsport-Vereins Bayreuth beim Training beobachte. „Mit Kinderturnen hat das deutlich wenig zu tun”, denke ich mir. Auf dem Spielfeld geht es bereits ordentlich zur Sache.
Das Team ruft sich laut Kommandos zu, wirft Passfolgen zum Aufwärmen, immer wieder kreuzen sich die Athlet*innen unter dem Korb. Ab und an knallt es, die Teammitglieder*innen prallen gegeneinander, doch das macht nichts – weiter geht's. Dass ich knapp 45 Minuten später Teil des Spiels sein werde, ist mir noch nicht bewusst.
Eigentlich wäre auch die Ambergerin Svenja Mayer mittendrin im Getümmel, heute ist sie allerdings froh, uns als Ausrede zu haben. „Ich hab seit unseren Spielen am Wochenende einen steifen Nacken”, erzählt die 32-Jährige. Für ein leichtes Training mit mir reicht's aber allemal. Svenja stellt das Sportgerät des heutigen Tages vor. Ein Übungsrollstuhl, den die Bundesliga-Spieler*innen üblicherweise für Inklusionstage in Schulen nutzen.
Und dann geht's auch schon an die Basics: Vorwärtsfahren, Rückwärtsfahren und Wenden. Der Rollstuhl lässt sich gut steuern, läuft geschmeidig über den Hallenboden. Einzig beim Rückwärtsfahren habe ich Probleme, die Spur zu halten. Ich wirke wohl ein wenig verloren, denn Kira, die lieber hinter der Kamera bleibt, und Svenja lachen mich ein wenig aus.
Nach meiner kurzen Spritztour gibt's lobende Worte von meinem Personal-Coach. Die 32-Jährige ist seit einer schweren Beckenverletzung infolge eines Verkehrsunfalls im Jahr 2011 an den Rollstuhl angewiesen. Damals kämpfte sie sich zurück ins Leben und startete mit dem Rollstuhl-Basketball. Zwei Paralympics und eine Vielzahl an Bundesliga-Spielen später muss sie einer Fußballerin ihre Sportart näher bringen. Auch diese Aufgabe meistert sie mit viel Gelassenheit.
„Das Schöne am Sport ist, dass er so inklusiv ist”, erzählt Svenja zwischen den Übungen. Nicht alle im Team sind Rollstuhlfahrer*innen, einige sind aufgrund ihrer Behinderung nicht (immer) auf den Rollstuhl angewiesen. Andere hingegen kommen vom Fußgänger-Basketball, können den Sport aufgrund von Verletzungen nicht mehr ausüben und bleiben ihrer Leidenschaft durch den Rollstuhl-Basketball treu.
Ich kann verstehen, warum Menschen die Sportart als Alternative zu Fußgänger-Basketball wählen. Es macht Spaß, den Ball mithilfe des Greifrings aufzuheben. Mit etwas Druck rollt er ganz einfach am Rad entlang hoch. Probleme bereitet mir aber das Dribbeln. Ähnlich wie der Schrittfehler verhält sich der sogenannte Schubfehler. Der ist aber leichter erklärt als durchführbar. Die Kurzfassung: Ich darf nicht mehr als zweimal am Greifring schieben, ohne zu dribbeln.
Fluchend schiebe ich meinen Rollstuhl an, während ich versuche, den Ball vor mir zu spielen. Zusätzlich drehe ich mich auch noch mehr oder minder im Kreis, weil ich es koordinativ nicht schaffe, mit beiden Händen parallel anzuschieben und zu dribbeln. Svenja hingegen bewegt sich jedes Mal problemlos und schnell, bringt mir den Ball, ehe ich ihn wieder aus Unfähigkeit verliere.
Während das Basketball-Training neben mir weiterhin im vollen Gange ist, darf ich mich ans Werfen machen. „Sollte easy klappen”, denke ich. Für irgendwas musste das Linienwerfen mit meinen Kumpels doch gut gewesen sein. Svenja erklärt mir kurz, worauf ich achten muss. Der bekannte „Schnack”, „dem Ball quasi mit der Hand nachschauen” – all das ist mir noch aus dem Sportstudium bekannt. Der Korbleger klappt (ungelogen) aufs erste Mal, auch die Würfe aus kürzer Distanz sind kein Problem – tricky wird's dann aber beim Freiwurf, denn der Korb hängt, wie beim Fußgänger-Basketball auch, auf 3,05 Meter Höhe.
Ich versuche, den Ball Richtung Korb zu befördern. Das orange Mistding verhungert während des Flugs, die Flugkurve ist entweder zu tief oder zu kurz. Neben Kraft fehlt es mir vermutlich an Technik. Bei Svenja, die täglich mehrere Stunden im Kraftraum und der Halle verbringt, läuft es natürlich deutlich besser. Als sie mir nach der Wurfeinheit erklärt, wir seien fertig, atme ich erleichtert auf. „Gar nicht so schlecht angestellt”, geht es mir durch den Kopf, bis Svenja mich aus meinen Gedanken reißt: „Wir sind jetzt fertig und spielen noch eine Runde mit”, ruft sie ihrem Trainer zu.
Ich spiele im Team „schwarz” und bin vollkommen verloren. Während ich verzweifelt versuche, mich unter dem Korb in Position zu bringen, werfen sich die anderen Kommandos und den Ball zu. Das Schlimmste ist der Ballverlust. Dann müssen wir in die Defense rücken. Ein Gegenspieler schiebt mich glücklicherweise beim Kontern an, sonst würde ich auf halber Strecke verloren gehen.
Nach nur fünf Minuten, einigen Seitenwechseln und zwei Würfen an, aber nicht in den Korb, machen meine Oberarme zu. Wieder muss Svenja grinsen, ihr Feedback ist positiv: „Für das erste Mal hast du dich gut angestellt.” Nach einer intensiven Trainingseinheit kann ich mir vorstellen, den Sport aktiv zu betreiben. Während ich versuche, meine Oberarme zu lockern, dreht Kamera-Frau Kira, immer noch in Socken, eine Runde mit dem Rollstuhl. „Das ist ein cooles Gerät”, sagt sie begeistert. Ich kann ihr nur zustimmen.